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Auf dem Weg nach oben

Giancarlo De Cataldo hat sich als Richter in Rom unmittelbar mit dem Organisierten Verbrechen auseinandergesetzt. In seinen Romanen erzählt er die Geschichte des Aufstiegs und Falles eines kleinen, römischen Vorstadtgangsters, der sein tristes Leben hinter sich lassen und nach den Sternen greifen will. Cataldos Romane sind nicht bloß Gangsterporträt, sondern Porträt einer Gesellschaft, in der Gangster konstitutive Teile sind.

Von Thomas Wörtche

 

Der König von Rom

Italienische Zeitgeschichte als Kriminalromane - das ist das Projekt des römischen Richters und Autors Giancarlo De Cataldo. Die Romane »Romanzo Criminale«, »Schmutzige Hände« und »Zeit der Wut« (letzterer mit Co-Autor Mimmo Rafele) erzählen vom Organisierten Verbrechen in Rom, das nicht deckungsgleich mit den üblichen Mafia-Klischees ist. Aufstieg, Fall und Nachwirken der Bande um den kleinen Vorstadtganoven Libanese, der sich nach oben mordet und dabei mit allen unerfreulichen Aspekten der italienischen Gesellschaft seit den frühen 1970er Jahren in Berührung, liefert die narrative Struktur. De Cataldo stellt die berühmten "bösen Fragen" nach der Verquickung von Politik und Verbrechen, nach den inneren Zusammenhängen von Rechts- und Links-Terrorismus (Stichworte: Die Entführung und Ermordung des Politikers Aldo Moro und das Bombenattentat auf den Bahnhof von Bologna), von der inneren Selbstdemontage des Staates und nach der Macht der Geheimdienste und der Großindustrie.

Die Romane und ihr riesiges Ensemble zentrieren sich um ein paar Hauptfiguren, an deren Wohl und Wehe De Cataldo meisterhaft die strukturellen Probleme seines Landes wütend illustriert. Der gerade erschiene kleine Roman »Der König von Rom« geht ganz an den Anfang der Geschichte. In den unbehausten Vorstädten, für die sich außer Pier Paolo Pasolini kaum jemand interessiert, zwischen den kleinen Tyrannen der Camorra und der Mafia, träumen Jungs ihre Jungs-Träume von Reichtum, Aufstieg, schönem Leben und Luxus.

Libano träumt noch einen Schritt weiter: Er will Macht, er will König von Rom werden, ganz oben sein, nicht mehr schleimen und kriechen. Weder vor den erbärmlichen Gestalten der "Unterwelt", noch vor den Eliten. Das Verbrechen, der Einsatz von Gewalt und Intelligenz, erscheint der Königsweg aus dem Elend. Das hört sich nach Klischee an, aber De Cataldos Erzählkunst bekräftigt diesen Mechanismus: Wo Institutionen und gesellschaftliche Strukturen gleichgültig sind, wo Egoismus und traditionelle Hierarchien Armut und Ungleichheit befördern, weil sie davon profitieren, entsteht Verbrechen, das man wiederum ordnungspolitisch funktionalisieren kann. Der Aufstieg von Libano, der fast macchiavelli-haft all diese Konstellationen ausnutzt, ist so gesehen nur logisch und folgerichtig - und kein abgedroschener Topos schlechter Kriminalliteratur. Und natürlich gäbe es da eine bürgerliche Alternative: Giada, eine junge Frau aus dem linken Milieu (das wie so oft im Italien der 1970er Jahre sehr bürgerlich war), die zunächst von der Outsider-Romantik fasziniert war, bietet ihm an Ende einen Job an, weil sie ihren Frieden mit einer "normalen" Existenz gemacht hat.

Aber da hat sich bei Libano die Romantik des Gangsters schon in pragmatischen Trotz verwandelt: "Die Götter stiegen vom Olymp herab und boten ihm eine Eintrittskarte an. Allerdings durch den Dienstboteneingang. Aber nicht mit mir." Und so beginnen das Morden und das Töten mit voller Wucht.

Das von De Cataldo und Tobias Gohlis gemeinsam verfasste Nachwort und eine Zeittafel helfen, die politischen Geschehnisse jener Zeit einzuordnen. Eine kongeniale 22teilige TV-Serie mit dem Titel »Romanzo Criminale« gibt es auf DVD und ist jede Minute wert.

 

Giancarlo De Cataldo: Der König von Rom. (Io sono il libanese, 2012). Roman. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Mit einem Nachwort von Giancarlo De Cataldo und Tobias Gohlis. Deutsche Erstausgabe. Wien/Bozen: Folio Verlag, 2013, 174 S., 19.90 Euro (D), eBook 16.99 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2013
(Deutschlandradio Kultur,
10.04.2013
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Giancarlo De Cataldos Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/2069037/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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