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Wörtches Crime Watch 07/1998

Rudolfo Anaya und Sherman Alexie

 

"Ethno-Krimis" sind für mich "Derrick"-Folgen aus den 70ern. Aber so ist das Etikett wohl nicht gemeint: "Ethno-Krimis" spielen vermutlich in Ethnien, aber nicht alle Krimis, die in Ethnien spielen, sind Ethno-Krimis. Klar, Upfields Bonie-Romane sind welche, weil sie in Australien stattfinden, und dort gibt es Aborigines. Tony Hillermans Bücher mit Jim Chee und Joe Leaphorn sind geradezu die Paradepferde für Ethno-Krimis, weil sie von den Navajos erzählen. H.R.F. Keatings Romane um Inspector Ghote aus Bombay sind anscheinend keine Ethno-Krimis, die von James McClure aus dem Südafrika der Apartheid auch nicht, obwohl doch dessen Bantu-Sergeant Zondi sowas von "ethno" ist. Und daß man die Leinwand-Detektive Charlie Chan oder Mr. Moto als "Ethnos" bezeichnen würde, ist mir genauso selten begegnet wie die dito Einordnung eines Romans von Masako Togawa, nur weil der in Tokio spielt. Fehlt nur noch, daß irgendein Knallkopf die Bücher von Chester Himes oder Walter Mosley (von Schwarzen, über Schwarze) als "ethnic novels" bezeichnet.

Das alles ist evident hirnrissig. Man könnte dagegen grobes Geschütz in Stellung bringen und etwa mit Edward W. Said über "Imperialismus und Kultur" nachdenken oder die fein abgestufte Hierarchie der Rassismen aus eurozentrischem Blickwinkel nachzeichnen, bei der Navajos und Aborigines eben doch noch ein bißchen tiefer stehen als Japaner oder Inder mit britischem way of life.

Aber die Angelegenheit hat eine gewisse Dialektik. Es gibt immer wieder Autoren, die voll auf den Zusammenhang von "Ethno" und "New Age" spekulieren. Dabei handelt es sich freilich nicht um einen "notwendigen" Zusammenhang, aber er paßt so schön. Vorausgesetzt, man hat richtig schicke, alte Kulturvölker zur Hand. Herauskommt die light Version von Mythen, Legenden, Ritualen und Kulten, aus denen der transzendierende Yuppie zur Stärkung für den bösen Alltag Honig saugen kann.

Ein solch trauriges Beispiel gibt Rudolfo Anaya, der "große alte Mann" der Chicano-Literatur. Als Stimme der spanisch-sprechenden Bevölkerung im Südwesten der USA hatte er Erkleckliches geleistet und eine wichtige Funktion im literarischen Konzert gehabt. Seit er jedoch Kriminalromane als Vehikel für spiritistisch-mythische Themen entdeckt hat, geraten ihm alle literarischen Aspekte außer Kontrolle. "Der Geist des Koyoten", das zweite Buch um den Privatdetektiv Sonny Baca aus Albuquerque, verspielt die Möglichkeit, eine spannende Geschichte über New Mexiko und dessen geopolitische Probemlagen (z.B.) zu erzählen, weil Anaya dramaturgisch ungeschlacht und plump ein Nachschlagewerk für Castaneda-Jünger hinblättert. Man will gar nicht mehr wissen, welcher Geist jetzt gerade in welchem Tier mit welchem anderen Viech sich kloppt und prügelt und wie Baca diesmal wieder davonkommt. Was bei Tony Hillerman latent vorhanden, aber stets von der Figur Leaphorn "rational" abgefedert ist - die Reduktion indianischen Lebens auf Mystik und Magie -, bei Anaya und seinen mexikanisch-spanisch-indianischen Figuren wird es zum albernen Spuk.

Genau zu der Art Folklore, über die sich Sherman Alexie mit Spott und zynischen Witz hermacht. Alexie ist nämlich in erster Linie Schriftsteller, der, weil Indianer (so nennt er sich selbst, nicht "native american"), kompetent u.a. über Indianer schreiben kann. Spätestens seit seinem sehr lakonischen und grotesken Roman "Reservation Blues" wissen wir das. Sein neuer, "Indian Killer" ist ein brillanter Kriminalroman, der in Seattle (und auch unter Indianern) spielt und gegen die Haupt-Konvention des Krimis verstößt. Man weiß am Ende nicht, wer der Mörder ist, der weiße Menschen umbringt und skalpiert. Man weiß dann allerdings, wie solche Verbrechen und ihre Inszenierung in den Medien das politische und soziale Klima einer Stadt beeinflussen. Das gestaltet Alexie mit großer Präzision, mit galligem Witz und so klischeefrei wie eben möglich. Die Klischees über "ethnics" hat er geschickt bei ein paar seiner Figuren entsorgt: Bei Hochschullehrern, die alles über Indianer wissen, weil es in Büchern steht und weißen Schriftstellern, die Indianer-Krimis schreiben und sich darob selbst als Indianer fühlen.

 

© Thomas Wörtche, 1998

 

Rudolfo Anaya:
Der Geist des Koyoten.

(Rio Grande Fall, 1996).
Roman. Dt. von Ursula Bischoff.
München: Knaur Tb 1998.
488 Seiten, DM 17,90

Sherman Alexie:
Indian Killer

(Indian Killer, 1996).
Roman. Dt. von Regina Rawlinson.
München: Manhattan by Goldmann 1998.
382 Seiten, DM 20.-

 

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