kaliber .38 - krimis im internet

 

Sills in Speyer!

 

Tod eines Trebers Was macht der Neuköllner Parvenu Melcher, Sportartikelhersteller und Vorsitzende des Boxclubs AV 04, mit einer Bande jugendlicher Rumtreiber und Strolche? Jeden abend hängen die Kids bis spät im Vereinslokal und versuchen, mit dem alten Trainer Otto und den Gästen einen Streit vom Zaun zu brechen. Hetzt Melcher die Kids auf Otto, um sich des alten Trainers zu entledigen, weil sich dieser der Umwandlung des Clubs in ein "modernes" Fintnesscenter widersetzt?

Carlo, der achtzehnjährige Anführer der Bande, ist seit etwa zwei Wochen spurlos verschwunden. Doch Ottos Lage hat sich dabei eher noch verschlechtert. In seiner Not wendet Otto sich an seinen ehemaligen Boxschüler Sills - mittlerweile gestandener Quartalssäufer, stiller Teilhaber der Sargträgerfirma "Ruhe in Frieden GmbH" und im Nebenjob Privatermittler. Aber nicht nur Otto, auch Melcher engagiert Sills, da Carlos Verschwinden seine depressive Frau, die sich der Kids angenommen hat, an den Rand eines Selbstmord bringe.

Zwei kurze Gespräche später hängt Sills im dicksten Schlamassel: am Telefon wird er bedroht, und bald darauf setzt es in der Tat mächtig Haue. Mit zerschundener Visage schifft Sills im Chevy nach Speyer, der Heimatstadt des verschwundenen Carlos, in der dieser sich laut einer Postkarte zuletzt aufgehalten haben soll. Sills säuft sich durch die Kneipen, in denen es aussieht, "als wären Ernst Mosch und die Original Egerländer mehrere Wochen in einer Flughafentoilette gefangengehalten worden" und mischt die pälzer Unterwelt munter auf. Aber die zündende Idee will nicht recht kommen, alle Hinweise verlaufen im Sand ("Mit soim Sohn, do deafensem gah nett erscht kumme, sunscht werda grondisch, un was donn bassiert, hammse jo selwer gseje."). Frustriert kehrt Sills zurück ins geliebte Kreuzberg und verabschiedet sich in Begleitung ungezählter Flaschen harten Fusels für vierzehn Tage von der Welt.

Dünner Stoff, denken Sie? Keine Sorge. Seien Sie versichert, daß Thorsten Tornow Ihnen eine rasante Geschichte um die Ohren haut. Man merkt, daß Tornow Crumley übersetzt: Mit Sätzen hart wie Fausthiebe treibt er seine Story in rasantem Tempo voran. Doch er ist mehr als ein Kreuzberger Crumley-Imitat: Schon lange habe ich keine so witzigen Episoden gelesen, etwa wie die, in der Sills sich im Suff auf dem Tisch der Kellerkneipe wiederfindet "und eine leicht angerauhte Version von Dean Martins Houston zum Besten" gibt. Wer sich da auf einer knappen Seite ein Stelldichein gibt und "einen Teil der Egerländereien" zerlegt, ist schier unfaßbar. Mehr davon!

 

© j.c.schmidt, 1999

 

Thorsten Tornow: Tod eines Trebers. Krimi. Berlin: Ullstein 1999 (Gelbe Reihe), 317 S., 16.90 DM.

 

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