Das Profil des Profilers

Erinnern Sie sich noch an John Wolf, den "wohl produktivsten Serienmörder" der Literaturgeschichte? Wolfs Markenzeichen war es, seinen Opfern die Kehle mit chirurgischer Prazision durchzuschneiden und die Leichen mit Vogelfedern zu schmücken. John Wolf ist tot: Vor einem Jahr hatte ihn sein Jäger - der Psychiater und Profiler Lucas Frank, genannt "Pop" - mit 30 Kilogramm Sprengstoff in die Luft gejagt. Unmöglich, daß jemand die Explosion im Elternhaus des Killers hätte überleben können.

Pop genießt mittlerweile sein Pensionärsdasein und wirft am liebsten sein Angel in den Lake Albert, Michigan. Doch ein Anschlag reißt ihn jäh aus der Idylle: Pop wird durch Schüsse aus einer Remington 30/06 verletzt. Kurz darauf wird sein Nachbarin und Freundin Janet Orr mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Neben der Leiche liegt eine rausgerissene Seite aus einem Vogelbuch...

Der Profiler reist nach Washington, ins Zentrum der Macht, und will das FBI dazu bewegen, die Akte John Wolf erneut zu öffnen. Aber bald muß der Profiler erkennen, daß der Killer die Regie fest in den Händen hat. Die Intelligenz-Bestie ahnt nicht nur jeden seiner Schritte voraus, sondern läßt den Jäger wie eine Marionette an seinen Strippen zappeln.

Meistens sind Fortsetzungen nicht mehr als ein schaler Aufguß eines kommerziell mehr oder weniger erfolgreichen Titels. Ganz anders bei John Philpin und Patricia Sierra: Ihnen ist ein zum Haareraufen spannendes Buch geglückt. Mehr noch: In der "Wolfsgrube" legen Philpin und Sierra Schicht um Schicht die ungeheuerlichsten Implikationen frei, die schließlich in einer entsetzlichen Verzahnung der Biographien ihrer Antagonisten kulminiert. "Wolfsgrube" ist damit kein zweiter Aufguß der "Wolfsjagd", sondern ihr notwendiger Abschluß.

Erschreckend gute Unterhaltung.

© j.c.schmidt, 2000

John Philpin und Patricia Sierra: Wolfsgrube. (Tunnel of Night). Roman. Aus dem Amerikanischen von Cordula Kolarik. Berlin: Ullstein 1999 (Ullstein Taschenbuch Nr. 24714), 381 S., 16.90 DM