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Robert Clark: Das Verbrechen des Mr. White

Eine Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des btb Verlags.

 

Das Verbrechen des Mr. White Als Wesley Horner zusammen mit seinem Kollegen in der Nähe von Seven Corners im White Castle einkehrte, sah er den Mann zum ersten Mal. Der rundliche und glatzköpfige Mann saß wie ein Ei im Becher an der Theke und aß hintereinander drei Hamburger, nachdem er jedes Mal die Gurkenscheiben säuberlich entfernt und auf den Unterteller seiner Kaffeetasse gelegt hatte. Er aß langsam, fast schon genießerisch. Die Hände waren wulstig, aber dennoch wohlgeformt. Nachdem er den letzten Hamburger verzehrt hatte, trank er noch seinen Kaffee aus und griff nach dem steifen Hut, den er auf der Theke abgelegt hatte. Er stand auf, wobei er mit einer vehementen Bewegung aufwärts wippte wie ein Wrackteil auf der Meeresoberfläche, nickte der Kellnerin zu, legte einen Vierteldollar hin und verzichtete schüchtern winkend auf sein Wechselgeld. Er packte seine Einkäufe zusammen - eine Tüte, die aus einem Buch- und Schreibwarenladen in St. Paul stammte, und einen flachen, rechteckigen, kodakgelben Karton - und schlurfte zur Tür, wobei er den Eindruck machte, als bestünde er aus zwei nicht aufeinander abgestimmten Hälften. Er bewegte sich wie ein Eselskarren mit ungleichen Rädern.
    Wesley drehte sich zu dem großen Flachglasfenster und beobachtete den Mann, wie dieser die Straße hinunter zum Fuß des Hügels ging, wo zwischen den Ulmen mit ihren bernsteinfarbenen und rotbraunen Blättern die Kathedrale stand. Dann blickte Wesley hinüber zu seinem Partner. O'Connor verdrehte die Augen und wiegte den Kopf mit einer Geste mitleidvoller Geringschätzung. »Jesses«, sagte er. »Was ein Kauz!«
    »Ganz schön seltsam, der Mann«, stimmte Wesley zu.
    »Zurückgeblieben?«
    »Vielleicht. Oder schwachsinnig.«
    »'ne Schwuchtel?« O'Connor weitete belustigt die Augen, wie um Wesley zu einem abschließenden Urteil zu drängen.
    »Könnte sein, Sergeant, könnte sein«, sagte Wesley matt, unwillig, sich dazu zu äußern. Er zerrte an der Krempe seines Huts, als beschäftigte ihn ein hartnäckiges Jucken. Er und O'Connor blieben am Fenster sitzen und blickten eine Weile einfach nur nach draußen.
    Wesley schüttelte die letzte Zigarette aus der Packung, zündete an der Unterseite des Stuhls ein Streichholz an und sog dann den Rauch tief ein. Er fasste abermals an die Hutkrempe und zog sie hinunter, bis sie mit seiner langen wuchtigen Nase und seinem vorgeschobenen Kinn, dem Erdrutsch seines Gesichts, eine Linie bildete. Der Rauch strömte ihm aus den Nasenlöchern wie Wasser aus einer Schleuse.
    Er verdrillte die leere Zigarettenschachtel, bis sie nur noch ein kompakter Wulst war, und schmiss sie dann neben sich auf den Boden. Er und O'Connor standen auf und begaben sich wieder nach draußen in die kühle Luft der Dämmerung, um auf der Straße nach dem Rechten zu sehen. Die Zigarettenpackung, die auf dem gefliesten Boden lag, begann sich, gerade als sie hinausgingen, mit einem unmerklichen Zellophanrascheln zu entfalten und entwand sich wie ein grüner aufgeplatzter Kokon.

 

Freitag, 29. September 1939
Heute und hier will ich ein echtes Tagebuch beginnen. Ich nehme an, das erklärt sich von selbst, aber folgendermaßen ist es - so gut ich mich erinnern kann - dazu gekommen: Nach der Arbeit (Mr. Wright sagte, ich könne gehen, die Ablage sei so weit fertig und für mich gebe es für heute nichts mehr zu tun) ging ich zum Schreibwarenladen, um ein neues Album zu kaufen, von der Sorte Ideal Nr. 51. Der Verkäufer sagte mir, dass sie keine mehr hätten und so schnell auch keine neuen bekämen. Unnötig zu sagen, dass ich etwas verstört war, benutze ich diese Sorte doch schon, seit ich zehn Jahre alt bin, seit 1914, seit dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Hier geht es um etwas Wichtiges, schließlich weiß ich durch das Aufbewahren von Zeitungsausschnitten, was mit mir und der Welt geschehen ist. Es ist sozusagen mein Gedächtnis, da ich mich nicht so gut an Dinge erinnern kann.
    Jedenfalls beschloss ich, das Beste draus zu machen, und sagte dem Verkäufer, er solle mir zeigen, was sie sonst so hätten. Ich kaufte dann ein Ideal Nr. 6, eine größere, fadengeheftete Ausgabe, deren Seiten beinahe so groß sind, dass eine Zeitungsseite ungefaltet hineinpasst. Ich war dermaßen zufrieden mit diesem Kauf, dass ich mir vom Verkäufer noch einige Notizbücher, die mir in der Auslage aufgefallen waren, zeigen ließ, weil ich dachte: Warum sollte ich nicht selbst ein paar Gedanken und Erinnerungen aufschreiben, statt mich völlig auf Ausschnitte aus Zeitungen und Zeitschriften zu verlassen? Mr. Wright sagt, ich hätte eine gute Handschrift (er nennt mich den letzten Schönschreiber) und ich könne mich gut ausdrücken. Das Ganze mache ich natürlich nur für mich, obwohl ich irgendwie hoffe, dass das, was ich aufschreibe, genau wie die Alben vielleicht eines Tages auf seine eigene kleine Art und Weise von einem gewissen historischen Interesse sein wird, so wie die Kapsel mit den Zeitdokumenten, die man bei der Weltausstellung in New York vergraben hat. Ganz bestimmt leben wir in aufregenden Zeiten, an der Schwelle zu großen Geschehnissen!
    Also kaufte ich das Ideal Nr. 24, dessen cremefarbene Seiten mit grünen Zeilenmarkierungen versehen sind. Der schwarz-weiße Einband sieht aus wie Marmor, wie aufgewirbelte Schokoflocken in Milch, wie die Oberfläche des Waschtischs in meinem Zimmer bei Nanna. Ich werde versuchen, jeden Tag zu schreiben. Nanna sagt, ich schreibe wie Ralph Waldo Emerson, den wir oft zusammen gelesen haben. Als sie versuchte, mich an der Akademie einzuschreiben, hieß es, meine Formulierungen klängen, als wäre es Latein, was ich eigentlich als Lob hätte aufnehmen können, da ich ja kein Latein konnte und auch immer noch nicht kann. Aber ich bin mir nicht so sicher, ob die Lehrer an der Akademie es auch wirklich so sahen; jedenfalls schlugen sie vor, es sei am besten, wenn ich meine Studien weiterhin zu Hause betriebe.
    Nachdem ich das Album und das Notizbuch gekauft hatte, lud ich mich selbst zum Mittagessen ins White Castle ein. Ich gönnte mir Kaffee und Hamburger, drei Stück, glaube ich, jedenfalls fühle ich mich selbst jetzt noch satt und zufrieden.

 

Im violetten Dämmerlicht des Samstagmorgens schien ihr rotes Haar so dunkel wie blaues Neon zu sein. Die Haut schimmerte silberweiß, nur weiter unten nicht, wo sich das Blut gesammelt und sie scharlachrot und braun und kupfergrün gefärbt hatte. Zum Zeitpunkt, als die Polizei eintraf - sie war von einem Nachbarn herbeigerufen worden, nachdem dieser das Gebell eines Obdachlosen gehört hatte, der im Feld über ihre Leiche gestolpert war -, war bereits ein leichter Wind aufgekommen, und die Sonne schien auf den Hügel. Ihr Viskosekleid war hoch über die Taille gerefft und manchmal berührte der Saum, während dieser im Wind hin und her schaukelte, sogar den Nacken. Ein Strumpfband, das sich von den Strümpfen gelöst hatte, flatterte wie ein Schiffsstander in der Luft und schlug gegen das Bein.
    Wesley und O'Connor kamen gegen zehn Uhr, nachdem sie sich durchs trockene Gras, die Blätterhaufen und die verdorrten Samenhülsen der Bäume gewühlt hatten, zu dem ebenen Flecken, an dem sie lag. Der Leichenbeschauer, Dr. Nash, war bereits mit zwei Streifenpolizisten vor Ort. Er kniete auf dem Boden, hielt ihr Kinn, drehte ihr Gesicht zu sich und dann wieder von sich weg und betrachtete äußerst konzentriert ihren Nacken. Er stand auf, klopfte sich den Staub von den Knien und schaute Wesley an.
    »Wissen Sie schon irgendetwas?«, fragte Wesley. Nash stieß hörbar den Atem aus und wischte sich über die Stirn. O'Connor war neben der Leiche in die Hocke gegangen und hatte damit begonnen, Staub und kleine Steinchen durch die Finger zu sieben.
    »Ich glaube nicht, dass sie schon lange hier ist«, sagte Nash. »Ist aber auch noch nicht lange tot. Vielleicht seit dem frühen Morgen.«
    »Wie?«
    »Wie sie gestorben ist? Sieht so aus, als wäre sie an einer Seite des Kopfs geschlagen und dann erdrosselt worden.« Nash kniete sich wieder hin und strich mit einem Finger über den purpurnen und lavendelblauen Streifen, der um den Hals der Leiche herum lief.
    »Alles hier passiert oder irgendwo anders?«
    »Kann ich nicht sagen. Falls es irgendwo anders passiert ist, muss es in der Nähe gewesen sein, wenn wir davon ausgehen, dass der Tod erst kürzlich eingetreten ist.« O'Connor war inzwischen wieder aufgestanden und hielt ein paar Steine in der Hand. Er deutete auf den ansteigenden Hang. »Man müsste ziemlich stark sein, um eine Leiche hier hochzuschleppen.«
    »Man müsste erst einmal ziemlich stark sein, um sie zu erwürgen«, sagte Nash. Wesley nickte.
    O'Connor streckte die Hand aus. »Fossilspuren«, sagte er. »Im Gestein. Kleine zylinderförmige Dinger mit Ringen darum. Und Muscheln und kleines hufeisenförmiges Krabbenzeug, das nicht größer als ein Daumennagel ist.«
    »Dreilappkrebse«, sagte Nash und nahm O'Connor einen der Steine aus der Hand. »Gefangen im Kalkstein.« Er machte eine weit ausholende Armbewegung, die die ganze Ebene bis zum Fluss einschloss. »Das alles hier war einmal unter Wasser. Wir stehen sozusagen auf dem Meeresboden.«
    Wesley blickte noch immer hoch zur Straße, wo die Fußgängertreppe begann, die den Hügel hinunter zu einer weiteren Straße führte. »Sie könnte also bewusstlos geschlagen, erwürgt und dann hierher getragen worden sein. Er muss die Stufen benutzt haben und dann hierher abgezweigt sein - ist zu steil, um sie direkt an die Stelle hier gebracht zu haben. Und nur ein Verrückter hätte sie den ganzen Weg raufgeschleppt.«
    »Tja, es versteht sich wohl von selbst, dass es sich hier um einen Verrückten gehandelt hat«, warf Nash ein. »So wie die Kleidung und alles arrangiert wurde, gehe ich mal davon aus, dass wir Spuren irgendeiner Form von sexueller Gewalt finden werden, wenn wir sie im Labor genauer untersuchen.«
    Wesley blickte immer noch zu den Stufen, als erwartete er, dass gleich jemand herabsteigen würde. »Er muss aber nicht unbedingt verrückt gewesen sein. Ich glaube nicht, dass diese Typen verrückt sind. Die sind meist einfach nur böse. Bis ins Mark.« Wesley hielt einen Moment inne. »Oder es macht ihnen einfach nur Spaß. Sie planen alles äußerst rational, wie wenn sie einem Job oder einem Hobby nachgehen - einer Freizeitbeschäftigung wie Briefmarkensammeln oder so.«
    »Das ist eine interessante Ansicht, Lieutenant Horner«, sagte Nash und lächelte nichts sagend.
    Wesley drehte sich herum, um Nash direkt anzusehen. »Also, wir kommen heute Nachmittag gegen, sagen wir, vier zu Ihnen. Vielleicht wissen Sie bis dahin ja ein bisschen mehr.«
    Nash nickte.
    »Okay«, sagte Wesley und rief dann den zwei Streifenpolizisten zu: »Ihr macht euch mal Gedanken, wie ihr sie hoch zur Straße kriegt. Dass es ein Krankentransporter bis hierher schafft, können wir wohl vergessen. Benutzt Decken oder so etwas. Wenn sie dann mit Dr. Nash in die Stadt unterwegs ist, bleibt einer von euch hier bei Sergeant O'Connor. Fangt an, alles abzusuchen - überall hier und oben an der Straße und entlang der Treppe. Vielleicht findet ihr ja, womit auch immer er sie niedergeschlagen hat. Vielleicht auch eine Handtasche, ein Kleidungsstück oder so.« Wesley blickte auf die Leiche. Eine Kette aus winzigen Ameisen bewegte sich durch das Haar zu der Wunde über dem Ohr. »Sie hat ja überhaupt keine Schuhe an. Warum hat sie verdammt noch mal keine Schuhe an? Also, vielleicht findet ihr ja auch Schuhe. Oder er hat die Schuhe. Egal, jetzt wissen wir wenigstens, dass sie nicht hierher gegangen ist, oder? Er hat sie getragen. Oder sie ist hierher gegangen, und er hat sie umgebracht und dann die Schuhe mitgenommen, als Souvenir.« Er drehte sich um und sah O'Connor, Nash und die Streifenpolizisten an. »Eine Sache noch. Nichts an die Zeitungen, nicht ein Wort. Nicht vor heute Abend, wenn der Doktor mit ihr fertig ist und wir vielleicht wissen, wer sie ist.«

 

Samstag, 30. September 1939
Der heutige Tag verging ohne irgendwelche Vorkommnisse, obwohl ich etwas Abwechslung in meinen normalen Tagesablauf gebracht habe, indem ich das Haus früher als sonst verlassen habe und die Lawton-Treppe hinuntergegangen bin, statt wie üblich die Straßenbahn an der Grand Avenue zu nehmen. Mr. Wright schickte mich zur Post und ließ mich einige Schreiben eintüten. Mittags aß ich ein Eiersalatsandwich, und zwar in der Bahnhofshalle. Nachmittags, auf meinem Nachhauseweg, ging ich zum Fotoladen und kaufte ein paar Chemikalien für die Dunkelkammer. Es war ein sonniger Tag, ein leichter Wind ging, weshalb ich beschloss, den ganzen Weg nach Hause zu Fuß zu gehen.
    Unterwegs überkam mich die Lust, in die Kathedrale zu gehen. Ich bin kein Kirchenmitglied - erst recht nicht gehöre ich der katholischen Kirche an, von der Nanna immer steif und fest behauptet hat, sie sei nicht mehr als ein Kult irischer Arbeiter und abergläubischer Trottel. Aber ich bin immer recht bewegt von der Erhabenheit des Gebäudes, und irgendetwas Geheimnisvolles - vielleicht etwas Orientalisches - ist am Duft des Weihrauchs und dem bunten Licht und so weiter. Jedenfalls machte ich einen Rundgang durch den Bereich hinter dem Hauptaltar, wo verschiedene Heilige ihre eigenen Kapellen haben, und aus einer Laune heraus warf ich einen Penny in die Sammelbüchse und zündete eine von den Kerzen an, die in kleinen roten Glasgefäßen auf einem tribünenartigen Ständer aufgereiht sind. Ich weiß eigentlich nicht, warum ich das getan habe, aber ich dachte, es könne nicht schaden und mir in irgendeiner Form vielleicht sogar Glück bringen oder wenigstens ein Symbol guter Vorsätze sein. Ich glaube, meine Hände haben ein wenig vor Bangigkeit gezittert, als ich die Kerze anzündete, und ich ging darauf eilig hinaus, irgendwie aus Angst, von einem der Priester angesprochen zu werden, der daran Anstoß nehmen könnte, dass ich einen Ritus vollführte, der Mitgliedern des römischen Glaubens vorbehalten ist, oder der versuchen könnte, mich zum Konvertieren zu verleiten. Wie gesagt, ich fand, dass es schlimmstenfalls harmlos war, und wie ich so an meine Kerze dachte und an all die anderen Kerzen, die in der Kathedrale brannten und in den übrigen Kirchen auf der ganzen Welt, malte ich mir aus, dass das keine Kleinigkeit war, das ganze Licht dieser Kerzen und die Gebete und Vorsätze oder auch nur Launen, die sie begleiten.
    Ich glaube, die Kapelle, bei der ich anhielt, war dem heiligen Antonius von Padua gewidmet. Dort stand eine Statue dieses Heiligen, irgendein Mönch, der ein Kind in den Armen hielt und, glaube ich, italienischer Herkunft war. Als ich noch klein war, hatte Nanna einen italienischen Gärtner. Ich kann nicht behaupten, dass er mich jemals in seinen Armen gehalten hat, aber ich bin mir sicher, dass er mich einmal in seiner Schubkarre durch den Garten gefahren hat.
    Als ich nach Hause kam, machte ich mir eine Dose Corned Beef und eine Dose Bohnen warm, und dann arbeitete ich in der Dunkelkammer an einigen Abzügen von den Filmen, auf denen ich Ruby vom Aragon-Tanzsaal fotografiert habe. Manchmal stelle ich fest, dass ich mich in der Dunkelkammer sehr einsam fühle. Es ist ziemlich dunkel, logisch, und es ist ziemlich leicht, sich dort wie ein in einem Schrank eingeschlossenes Kind zu fühlen, das Angst vor Gespenstern hat. Und natürlich, wenn ich ein Negativ, das auf den Vergrößerer projiziert wird, betrachte, alles verkehrt herum, sehen die Menschen wie Ungeheuer und Gespenster aus, und es ist nicht sehr schwer, sich vorzustellen, dass man auf etwas Echtes schaut, darauf, wie die Dinge im Innern wirklich sind, ganz hässlich und umgekehrt und das Gegenteil von dem, als was sie normalerweise erscheinen. Aber dann werde ich mir bewusst, dass draußen im Flur das Radio läuft, und ich höre die Stimmen der Männer, die so tief sind wie Großvaters Stimme, und die der Frauen, die wie Vogelgezwitscher klingen, und ich sehe einen Lichtspalt unter der Tür, und dann weiß ich, dass ich zu Hause bin und dass das, was ich auf dem Projektor sehe, nur Schatten sind - was die Dinge sind, bevor sie etwas sind - und nicht, was die Dinge wirklich sind oder jemals sein sollten. Denn das ist es, was durch das Licht des Vergrößerers auf die leere Oberfläche des Fotopapiers kommt und dann auf die Platte, wo ich sehe, wie die Bilder sie selbst werden, wie Kerzen, die angezündet werden.
    Danach arbeitete ich an meinem Album und an meiner Sammlung, und jetzt, bevor ich zu Bett gehe, schreibe ich das hier und denke, dass das alles wirklich sehr gut und schön ist.

 

Am späten Nachmittag ging Wesley zum Leichenschauhaus, das in der Hill Street nahe den Eisenbahnschienen am Fluss lag, um mit Dr. Nash zu sprechen. Nash saß an einem kleinen Eichenschreibtisch in einem Raum, der grün und schwarz gefliest war und ab Augenhöhe aufwärts hohe Milchglasfenster aufwies. In der Mitte standen zwei leicht vertiefte Stahltische mit jeweils einer Abflussrinne zu jeder Seite. Auf einem der Tische lag eine mit einem verwaschenen blassgrünen Laken bedeckte Leiche. Wesley setzte sich an den Schreibtisch und legte seinen Hut auf die Ecke neben das Telefon. »Ist sie das?«, fragte er Nash.

 

Aus dem Amerikanischen von Maak Flatten
© in der Verlagsgruppe Random House

 

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