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Carlo de Luxe: Yin-Yang Gang-Bang

Eine Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Querverlags.

 

Queer Crime Lucy drückte die Zigarette achtlos im goldgefassten Aschenbecher aus. Fast hätte sie sich dabei ihre diamant-dekorierten orangen Fingernägel ruiniert. Sie stieß den letzten Rauch zwischen den farbgleichen Lippen aus. Eine naturidentisch blonde Locke lupfte sich, bevor sie über das Make-up rutschte.
      "Weil ich total fertig bin, Cosma! Ich hätte dich sonst längst angerufen." Lucy rollte die grünen Augen und wechselte die Hand am kunstfellbezogenen Hörer. "Das weißt du genauso gut wie ich, Transgender-Persönlichkeiten sind extrem zu individuelle Verschmelzungen von männlicher und weiblicher Energie, als dass ..." Lucy streifte die 45-er Lack-Pumps ab und zog die schlanken Beine auf das Sofa, dann knetete sie sich mit der freien Hand die lackierten Zehen. " ... als dass man Yin und Yang künstlich miteinander vermischen könnte!" Cosma sollte heute wirklich einmal begreifen.
      "Wer geht im QueerPalace schon vor vier Uhr früh ins Bett? Also, an dem Tag war es so ruhig wie immer. Ich bin irgendwann nach elf aufgestanden, im Morgenmantel in die Küche geschlurft und wollte mir erst mal einen Kaffee machen. Davor war an meine Restaurierung überhaupt nicht zu denken. Aber ich war nicht etwa als erste aus der WG auf den Beinen. Chris ist in ihrem Overall herumgewuselt und hat mich als Leidensgenossin begrüßt." Lucy überhörte fast die Nachfrage. "Ja? - Aber Chris kennst du doch! Die dralle Tischlerin, die mir den Schminktisch gebaut hat. ­ Genau. Unsere Power-Lesbe, die zwei Bierkästen auf einmal nach oben trägt. Cosma, was du dir merken kannst!" Lucy zwirbelte den lila Webpelz der Sofadecke. "Jedenfalls hatte Chris tatsächlich auch für mich solidarisch zwei Brötchen vom Bäcker mitgebracht. Das hätte mir auffallen sollen. Wenn ein Tag mit soviel Zuwendung auf nüchternen Magen anfängt Š Aber du weißt ja, wie das ist. Nach der Show in der Nacht und dem vielen Zeugs konnte ich sowieso nicht richtig denken. Anyway, Chris hatte auf dem Balkon vor der Küche gedeckt, hat mich heraus gewunken und mir einen Becher frischen Kaffee über den Tisch geschoben. Normalerweise gehe ich ja ungeschminkt nicht in die Öffentlichkeit, aber ich wollte bei soviel Nettigkeit nicht rumzicken. ­ Wie? ­ Das glaubst du nicht? ­ Jedenfalls habe ich mich auf einen Stuhl fallen lassen, Chris hat fröhlich von irgendeinem Schrank geplappert, den sie für zwei Ärztinnen fertig machen wollte. Ich habe die ganze Zeit durch die Blumenkästen an der Brüstung runter in den begrünten Community-Hof unseres Queer-Palace gestarrt. Das Regenbogen-Idyll voller Blumen in schönstem Sonnenschein hat mich erst recht fertig gemacht."

 

   "Wurst oder Käse?"
      "Lieber Honig."
      Chris sprang für mich auf und verschwand in der Küche. Kaum zurück, grummelte sie: "Diese ekelhaften Container werden nach Sörens Volltreffer jetzt ja endlich aus dem Kühlschrank verschwinden!"
      Sie knallte den Honigtopf auf dem Tisch, die Dosenmilch für den Kaffee schwappte dabei über. Mir war nicht nach einer wie auch immer gearteten Neuauflage der grauenhaften WG-Plenums-Diskussion, wo die drei anderen gegen uns beide durchgesetzt hatten, dass Nährflüssigkeit und Samen-Container in der Küche vorgekühlt werden durften.
      "Sören, diese Gen-Schleuder!"
      Chris verschluckte sich vor Lachen fast an ihrem Käsebrötchen, sie wischte sich Krümel von den Grübchen und schüttelte das kurzgeschorene Haupt. "Lucy Fur, du hast geniale Ideen! Das merke ich mir!"
      "Samenspender klingt doch viel zu edel. Seit ich Sören aus meinem Bett geschmissen habe, brauche ich mir wenigstens sein Gesülze nicht mehr anzuhören. Wie toll doch die sozial-biologische Vaterschaft ist, neue Erziehungsformen zu dritt in der queer family ..."
      "Was kannst du von einem Studi schon anderes erwarte?. Nur kann es Sören passieren, dass er schneller als ihm lieb ist, von King Jimmy zur zweiten Mama degradiert wird."
      Chris bohrte das Messer so geschickt in ihr Brötchen, dass keine Krümel über den Tisch flogen. Die Tischlerin schnitt eine makellos ebene Trennfläche zwischen die beiden Hälften. " Oben oder unten?"
      "Oben, ich bin mehr fürs Knusprige. Wozu ich Sören dummerweise zu lange gezählt habe."
      Ich schlurfte zum Kühlschrank. Neben den zwei quadratischen Containern fand ich die Butter in der Ikea-Glasschale. Wie immer zu hart. Wie immer mühte ich mich trotzdem, dünnen Scheibchen davon aufs Brötchen zu verfrachten.
      "Es geht sowieso nicht gut, Chris. Glaubst du, Sören bleibt bei der Stange? Wenn die von ihm so ersehnte Vaterschaft ein bisschen mehr bedeutet, als sich genüsslich einen runterzuholen, damit Madame Nadine sich mit Jimmys Hilfe die nächste Dosis für die unbemannte Empfängnis einführen kann? Wenn der Schreihals dreimal in der Nacht gefüttert und gewindelt werden will."
      Chris piekte ein Stück Käse auf und zermanschte es mit dem Messer auf dem Teller. "Den Stress gönne ich Nadine von Herzen!"
      "Kindergekreisch tue ich mir nicht an! Die drei müssen hier ausziehen, ist mir egal, ob sie ihr Gör unbedingt in einem toleranten, schwullesbischen Umfeld aufziehen wollen. Die WG war ohne Kinder ausgemacht!" Langsam wurde ich vom Kaffee munter und begann mit vorsichtiger Lymphdränage an den Augen.
      Chris legte die Boots auf einen freien Stuhl. "Der QueerPalace ist unser Projekt, Lucy. Wir sind doch nicht drei Jahre rumgelatscht und haben Politikern und Sponsoren den Arsch geleckt und wer weiß wie viel Wochenenden an die Sanierung der Halbruine gehängt, um uns von dieser sanften Mutterkuh Nadine jetzt ausboten zu lassen. Die hat doch mit ihrem Rinderwahn ... "
      Ich prustete den Kaffee auf meinen Teller.
      Chris riss schützend die Arme vor die Brust und kicherte: " ... die lullt doch alle ein mit ihrem Kinderwahn. Als ob Lesben nur als Mütter ihre Weiblichkeit finden könnten. Aber das King Jimmy I. darauf so abfährt. Das geht nicht in meine Birne." Chris tockte sich mit der Faust auf die blonden Stoppeln. "Der läuft den ganzen Tag in Boots und Armyklamotten rum, züchtet sich einen Bart und hopp, kriegt ihn die Alte rum, mit Babyrassel und ... ich fass' es nicht. Muss man als King auch die Vater-Nummer bringen?"
      Irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl, mich ­ bröckelnde Butter auf dem Brötchen hin oder her - mit extra viel Honigsüße trösten zu müssen. "Erst versinkt die ganze Szene im Eherausch, jetzt droht der kollektive Gebärdrang. Wenn da wenigstens lauter kleine Lesben und Transen bei rauskröchen. Wir haben uns doch nicht von dem ganzen Hetenvolk frei gekämpft, um anschließend selber dafür zu sorgen, dass wir zwanzig Jahre lang ein Heterogör am Hals haben - aller Gebärwahrscheinlichkeit nach."
      "Eine Tochter, die sich mit vierzehn aufdonnert, um vom boy next door geknallt zu werden, brrr." Chris schüttelte sich und goss uns Kaffee nach.
      "Weißt du, dass ich Sören an eben dem Tag den Laufpass gegeben habe, als er mir ernsthaft vorgeschlagen hat, ich solle doch als Co-Mutter mit ins Projekt einsteigen? Dann gingen die Kosten fürs Kind durch vier. Er hat wirklich Projekt gesagt! Als Tunte kann ich mir ja fast jede Rolle vorstellen: Working girl, Madonna oder ganz gern auch mal Hure. Aber nicht Mutter!
      "Aber Absinth-Hexe! In der Rolle warst du neulich verdammt überzeugend."
      Chris räkelte sich und zwinkerte mir zu. Ich kam nicht dazu, ihr das Kompliment zurückzugeben. Es polterte im Treppenhaus, unterdrückte Flüche waren zu hören
      "Jimmy!" Chris leckte sich die Lippen und stellte den Kaffeebecher auf den Tisch. "Komm, Lucy, schnell."
      Sie zog mich in die Küche hinein und dort in den Winkel zwischen Besenschrank und Küchentür. Ich fummelte an meinem Morgenmantel. Sie verschränkte die Arme vor dem Overall. Ihre blauen Augen leuchteten, wir reckten die Hälse und linsten durch den Spalt unter der Türangel.
      Ein Schlüssel nestelte im Schloss, dann flog die Wohnungstür mit Schwung auf und fuppte vom Türstopper zurück. Jimmys Motorradhelm knallte hart zu Boden, wir sahen ihn an der Küchentür vorbeikugeln. Jimmy schrie aus vollem Hals nach Nadine. Er riss die Tür zu seinem Zimmer auf. " Wo steckst du, Schlampe?"
      Ich raffte meinen Morgenmantel enger. Chris stieß mich an. "Nadine pennt noch. Seine schicke Stewardess fliegt erst Montag wieder Berlin-Köln."
      Etwas klatschte.
      "Da! Er ohrfeigt die Saftschubse!"
      Aus Jimmys Zimmer drang Gekreisch. Chris hüpfte von einem Bein aufs andere durch die Küche, als ob sie Ska tanzen würde. Die freute sich ein Loch in den Bauch.
      Mir war auf einmal schlecht. Nadines Mädchenstimme produzierte ein hysterisches Stakkato, dass mir fast schwindelig wurde. Das klang so anders als sonst. Gegen ihre auf- und abschwellenden Lust-Etüden, die sie fast jeden Abend in Jimmys Zimmer stöhnte, hatte ich mir ja längst Ohrenstöpsel besorgt. Aber jetzt vibrierte Angst in jedem Nein-hör-auf und jedem Lass-mich, das bis zu uns in die Küche drang.
      Chris schlüpfte wieder zu mir hinter die Tür, gerade als Nadine im blassblauen Pyjama aus Jimmys Zimmer stürzte. Bücher flogen ihr hinterher, ein Aschenbecher aus Marmor prallte an der Wand zurück und schlug ein Loch in den Putz. Eine Hantel sprengte Lack von der Türfüllung der Küche, zwei Handbreit vor meiner Nase.
      "Hör auf! Hör auf!" Nadine wimmerte nur noch.
      Ein undefinierbares, tenorhohes Grunzen brach aus Jimmys Kehle. Er hatte seine Freundin fast schon am Hals gepackt. Nadine floh tiefer in die Küche. Wir drückten uns noch enger hinter der Tür zusammen.
      Neben dem Kühlschrank stand auf einer Arbeitsfläche eine Schale mit Obst. Nadine bombardierte ihren King, der Schritt für Schritt langsam auf sie vorrückte, mit Orangen, Zitronen und einer matschigen Kiwi. Doch er wich geschickt aus.
      "Was hast du mit mir gemacht?"
      Jimmy schlug zu. Diesmal mit der Faust. Rechts, links, rechts. Der blassblaue Pyjama Nadines riss. Die dort aufgedruckten chinesischen Reiher flogen in Panik auf. Jimmy entdeckte einen von Sörens Kühlcontainern auf der Spüle. Ohne den Blick von seiner Nadine zu lassen, griff er den quadratischen Behälter, schob die andere Hand brutal in ihre langen Haare, riss ihr den Kopf zurück, dessen Mundwinkel ein hellrotes Rinnsal schmückte. Fast rhythmisch knallte er Nadine den Container auf den weichen Mund, wobei er jedes mal die gleiche Frage ausstieß. " Was hast du mit mir gemacht?!"
      Plötzlich löste sich Nadine aus ihrer Erstarrung. Als ob ihre ganze Erscheinung in eine irrsinnig schnelle Vibration versetzt würde, die ihren Umriss völlig verwischte. Unvermittelt gellte ein langgezogenes Iiiiiiiiiiiilf, bis der Container zu Boden fiel. Dann war es still. Jimmy hatte ihren Mund verschlossen.
      "Lass Nadine sofort los."
      Sören stand in der Küchentür, einen Hockeyschläger von der Studentenmannschaft in der Hand. Er hatte gerade mal Socken und Bermuda-Shorts an. Aus dem Winkel konnte ich ihn durch den Spalt zwischen Türblatt und Angel von der Seite bewundern. Seine großen Brustwarzen standen vor. Gänsehaut überzog die straffen Muskeln, so wütend war er. Seine schwarzen Locken fielen ungewaschen halb in die Stirn. Da roch ich seine Haut, den warmen Hauch seiner durchhurten Nacht mit dem Andern. Das hätte er mir nie antun dürfen.
      "Loslassen, Jim!"
      Er schwang den Hockeyschläger, Jimmy ging in die Knie, Nadine drehte sich, das Holz splitterte auf dem Kühlschrank. Jimmy tauchte wieder hoch. Nadine stöhnte und hielt sich an der Arbeitsfläche fest. Sören nahm den angebrochenen Schläger drohend vor die Brust. Er verstellte Chris und mir ein wenig die Sicht, doch bemerkt hatten sie uns hinter der Tür noch nicht.
      "Bist du wahnsinnig? Nadine ist doch schwanger!"
      Jimmy heulte auf. "Ich auch!"
      Sören fuchtelte mit dem Schläger vor Jimmys schütterem Kinnbart und lachte ihn aus. "Du bist ja total durchgeknallt! Du doch nicht! Nadine bekommt unser Kind."
      Jimmy hämmerte sich mit der Faust auf den Bauch. "Und das da drin? Wo kommt das her?" Nadine, die sich mit einem Zipfel ihres Pyjamas das Gesicht abgetupft hatte, hielt inne und starrte ihren King mit offenem Munde an. Ihre Zunge leckte Blut aus dem Winkel, mechanisch, als hätte man ihr ein unbekanntes Gerät eingesetzt. Ganz langsam sank ihre verschmierte Hand auf Jimmys Bauch und strich über den rauen Bund der Lederhose. Ihre Lippen formten eine Frage, die tonlos blieb. [...]

 

Lucy suchte nach geeigneten Worten. "Ich hätte nie gedacht, dass es wirklich klappt."
      "Was denn, Liebes? Lucy, ich kann nicht hellsehen." Irgendwas raschelte im Hörer. "Sorry, ich habe nur den Fummel gewechselt, ich muss eigentlich zu einer promotion. Was hat geklappt?"
      "Dass Jimmy schwanger wird." Wieder raschelte es in Lucys Ohr.
      "Du hast doch nicht etwa Jimmy gebumst?"
      Lucy verzieh diese Zumutung demonstrativ mit einem tiefen Seufzer. Daraufhin summte Cosma melodisch. Das tat sie immer, wenn sie überlegte, in welchen Club oder Lounge sie gehen sollten. "Sorry Lucy, ich bin ein bisschen langsam heute, dann hätte der ja kaum Chris verprügelt. Tut mir Leid."
      Wieder summte es, dann lachte Cosma unsicher. "Also. Tja, Teuerste. Das Sperma, mit dem Jimmy nun Mutter wird, ist nicht etwa doch von dir, Liebes?" Cosma war nicht dumm.
      "Ja. Nein. Nicht direkt."
      "Was soll das denn heißen? Nicht direkt."
      Lucy entschied sich für einen harten, silbrigen Hauch über dem Lidschattenrand. "Vor ein paar Wochen habe ich und Chris bei ihr drüben im Zimmer gesessen. Wir haben eine Flasche Absinth gesoffen, keine Ahnung, wo sie das tolle Zeug her hat. Sie ist einfach nicht über ihren Frust weg gekommen, dass Jimmy sie wegen dem Püppchen Nadine verlassen hat." Sie zog die Lippen mit orange Konturstift größer. "Und für mich war Nadine so etwas wie eine böse Fee. Seit sie aufgekreuzt ist, hat sie die WG mit ihrer Idee verkrebst, aus der queer family eine richtige Familie zu machen. Und das hat für sie geheißen, queer babies mussten her."
      Cosmas Stimme kreischte spitz aus dem Hörer. "Typisch Ost-Schnalle! Wahrscheinlich sind ihre besten Freunde Heten von einem Bauernhof in Mecklenburg."
      "Nein, Nadine ist aus Saarbrücken. Aber trotzdem! Du erinnerst dich? Sören und ich hatten nur noch Streit, seit Nadine ihn als Samenspender erkoren hatte, bis es mir zuviel wurde. Aber an dem Abend, als ich mit Chris Absinth gesoffen hab, hatte Sören zum ersten Mal einen Typen nach Hause abgeschleppt. Und weißt du wen? Ausgerechnet und zu allem Übel auch noch Paolo aus der BlueDoorBar, auf den ich schon ewig scharf bin." Lucy seufzte, sortierte die Stifte auf dem Schminktisch und griff zum Augenbrauenkonturer. "Chris und ich, wir haben beide vor Wut gekocht. Ich wegen des Vatergetues von Sören und Chris wegen Jimmys."
      "Verstehe ich nicht."
      "Da gibt es auch nicht viel zu verstehen. Jimmy und Sören waren sich einig, die Vaterschaft zu teilen, der eine biologisch, der andere sozial, aber auch zusammen. Was weiß ich, was das real bedeuten soll? Ich kann das ganze Familiengesülze einfach nicht mehr ertragen. Und Chris hat Nadine genauso dafür gehasst. Chris hat mir immer wieder die Gläser mit Absinth voll geschenkt und dauernd wiederholt: ’Nichts gegen Kings, aber irgendwo is 'ne Grenze.' Und dann haben wir gesponnen, wie man sich rächen könnte."
      "Typisch Lucy Fur! Das war deine Idee!" Cosma schnalzte bewundernd mit der Zunge.
      "Ich weiß nicht mehr. Aber du behältst das alles für dich, Cosma! Auf jeden Fall haben wir der Heiligen Mutter vom QueerPalace hundert schreiende Bälger an den Hals gewünscht. Aber leider wird Nadine ja höchsten Zwillinge bekommen. Es sei denn Š Ja, es sei denn, King Jimmy würde sich nach einem unfreiwilligen Sexchange an der Gebärlast beteiligen."
      "Ohne Gebärlust ist das aber schwierig."
      "Chris hat dann die Idee gehabt, dass ich ihr Sperma besorge. Sörens Glibber aus dem Kühlschrank konnte wir nicht einfach nehmen, das wäre ja aufgefallen, das da was fehlt. Im Suff habe ich erst mal Ja gesagt. Aber Chris ist am Thema dran geblieben. Hat sich in den Kopf gesetzt, Jimmys Identität als Kerl zu zerstören: ’Ein richtiger King kriegt keine Kinder, ha!' Das war ihr Refrain, wenn wir abends wieder Absinth getrunken haben und die andern nicht zuhause waren. Chris hat sich Bücher à la 'Wie setze ich ein Kind an und krieg es auch' besorgt."
      Cosma kreischte ins Telefon: "Lucy, bitte keine ekligen Details über Empfängnisfragen. Seit meiner gescheiterten Karriere als Krankenpflegerin möchte ich bitte, bitte nichts mehr über Muttermünder hören."
      Lucy setzte den Konturstift ab und wiegte den Kopf. "Sören sammelte jedenfalls sein Sperma in Tiefkühlcontainern ­ Einzelheiten dazu wirst du doch ertragen können, Cosma? Eine von Nadines Freundinnen arbeitet in einem Biotechlabor, die hat ihr die Container geborgt. Wir hatten eine total schizophrene Diskussion in der WG mit dem Resultat, dass Sören das Zeug in unserem Eisfach bunkern durfte. Die Container standen also fröhlich zwischen Erdbeereis und Pizza Marinara rum." Nach einer sprachlosen Pause tönte es schwach aus dem Hörer: "Und das hält sich?"
      "Die haben das Sperma mit irgendwelchen Glukose-Nährlösungen gepanscht. Das ist aber noch gar nichts dagegen gewesen, meinen Ex-Lover durch die Wand stöhnen zu hören, wenn Sören die Container aufgefüllt hat. Du kannst dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Aber Chris hat irgendwo im Fachhandel identische Container aufgetrieben. ’Das Geld ist es mir Wert.' Nun ja, und in Chris kleinem Bierkühlschrank in ihrer Werkschrank unten im Erdgeschoss haben wir dann das Sperma gebunkert."
      "Also doch dein eigenes, oder wie? Liebes, irgendwie ..."
      "Cosma, ich will in diesem Tuntenleben weder Mutter noch Vater werden, weder sozial noch asozial oder biologisch. Nein, ich habe die Container eingepackt und als Handtäschchen getarnt."
      "Doch nicht etwa diese kleine Waschmitteltrommel, mit der du auf der letzten Party im GMF aufgelaufen bist?"
      "Genau. Da war der Container drin."
      "Ich dachte schon, du leidest an Geschmacksverirrung und kramst die Fummel aus den Achtzigern samt Begleitmüll wieder aus."
      "Und damit bin ich in den Darkroom und habe die Jungs gemolken."
      "Kreisch! Meine Lucy melkt die Berliner Boys wie Heidi die Kühe auf der Alm!"
      "Danach hat Chris dafür gesorgt, dass das Zeug zur richtigen Zeit in den King, sprich Jimmy, kommt."
      "Moment, ich denke, der wollte nicht schwanger werden."
      "Er wusste ja auch nicht, wie ihm da geschah."
      "Lucy, das übersteigt meine Phantasie."
      "Erinnerst du dich noch, wie wir in Amsterdam in der Warmoestraat durch die Sex-Boutiquen geschoppt sind, Cosma?"
      "Schon. Nein .... you fuckin' bastard!" Lucy erduldete die anerkennenden Schimpfworte. "Ihr habt es mit diesem grässlichen rosa Latex-Jeff-Stryker-Spritzdildo gemacht, den ich dir geschenkt habe?! Zu deinem elften Geburtstag als Befreite Tunte?!"
      Lucy musste lächeln, verbannte die Regung aber aus ihrer Stimme. "Nicht wir! Chris hat den Dildo benutzt. Der erfüllt seinen Zweck wie das biologische Original ­ in jeder Hinsicht."
      "Aber ... das muss Jimmy doch gemerkt haben."
      "Chris gilt ...", Lucy räusperte sich bedeutungsschwer, "... galt als Bondage-Expertin und hatte eine empfehlenswerte Auswahl von kleinen Hilfsmittelchen in einer Box neben dem Bett. Dem guten Jimmy ist mit deren tatkräftigen Einwirkung Hören und Sehen vergangen."
      "Der Kerl hat sich's einfach heftig besorgen lassen, ts."
      "Cosma, aber so sind sie doch alle. Wenn du die Typen erst mal im Bett hast, wollen sie nur noch bedient werden."
      "Oh ja! Ich hatte da neulich erst ein besonders hartes Exemplar in der Hand ..."
      Auf Cosmas ausführliche Schilderungen ihres haltlosen Sexuallebens konnte Lucy jetzt verzichten. Sie gestattete ihrer Stimme wieder ein bisschen Verzweiflung: "Aber jetzt habe ich Angst, dass sie mir den Todessturz von Chris anhängen."
[...]

 

© Querverlag, 2002
Alle Rechte vorbehalten!

 

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QUEER CRIME
Lesbisch-schwule Krimigeschichten, hg. von Lisa Kupper, Querverlag, 2002.

 

 

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