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Cream of Crime 1/1997

Joe R. Lansdale: Mambo mit zwei Bären

 

"So häßlich wie Ost-Texas" ist in der amerikanischen Literatur eine beliebte Metapher. In eben jenem Ost-Texas spielt der verzweifelt komische Roman "Mambo mit zwei Bären" von Joe R. Lansdale. Es ist der zweite Auftritt (den ersten hatten sie in "Mucho Mojo", deutsch: "Texas Blues") des Duos Hap Collins und Leonard Pine. Collins, der Ich-Erzähler, ist ein weißer Hetero, Tagelöhner mit unklarer Vergangenheit und wenig Ambitionen für die Zukunft. Pine ist schwarz, fröhlich schwul (und zur Zeit mit einem etwas mauligen Latino-Lover liiert), extrem schlagfähig und dank einer Erbschaft nicht ganz verarmt. Arm ist die Gegend um die fiktive Stadt LaBorde (die wir uns etwa in der Nähe von Nacogdoches gelegen vorstellen dürfen, wo Lansdale mit seiner Familie wohnt): McJobs auf den Rosen- und Kartoffelfeldern prägen die Ökonomie. Im ebenfalls fiktiven Grovetown (vermutlich da zu suchen, wo das echte Groveton liegt) ist der einzige Wirtschaftsfaktor eine Weihnachtsbaumzucht, die das ganze Städtchen in Abhängigkeit hält. Texas war noch nie berühmt für seine Liberalität und Toleranz und East Texas schon gar nicht. Rassismus ist in dieser Gegend ein bitterernstes Thema. Lansdale redet nicht drumherum, sondern zeichnet sie klar bis zum letzten Pickel, die ekelhaften, gewaltgeilen Hinterwäldler, wie sie mit ihren lächerlichen weißen KKK-Kapuzen immer noch Unheil stiften und die schwarze Bevölkerung terrorisieren.

Als Sozialreport aus den amerikanischen Provinzen am Ende des Jahrtausends ist "Mambo mit zwei Bären" schon ein hartes Stück. Der Roman bietet aber mehr. In diesem deprimierenden Fleckchen Erde, in dem ein K-Mart für die modischen Accessoires sorgt, prügeln sich Collins und Pine wohlgemut mit Crack-Dealern, marodieren mit ihren Revolverschnauzen durch Wald und Sumpf und setzen immer noch einen Spruch drauf, selbst wenn der Klan mit Schrotflinten schon hinter ihnen her ist.

Lansdale, mehrfach preisgekrönter Horror-Autor und damit im offiziellen Kanon an der alleruntersten Ästimationsschwelle angesiedelt, hat mit seinen Kriminalromanen ein kleines Wunder geschaffen: Er verankert die "ewigen" Themen von Kunst und Literatur, also Liebe und Haß, Gier und Geilheit, Macht und Ohnmacht in einer präsize und genau geschilderten Welt, die er harsch und rauh, schnell und ruppig zu erzählen weiß. Das gelingt ihm so gut, weil er als Schriftsteller souverän über Handwerkszeug und Techniken verfügt, die Bilderreichtum und Sprache gleichermaßen virtuos einsetzen können. Das Showdown zum Beispiel, eine deutliche Hommage an Lansdales geliebtes Horrorgenre (und nichts für Leute mit schwachen Magennerven), ist keineswegs bloß ein schriller Effekt, sondern ein realistisch plausibles und gleichzeitig symbolisch stimmiges Tableau zu den Themen Leben und Tod und der Vermischung beider Sphären. Ähnlich intelligent doppelt codiert funktioniert Lansdales Sprachverwendung, die aus dumpfen, treffend dem "Volksmund" abgelauschten Vulgarismen und permanenten Obszönitäten mit geschickten Drehs und Wendungen immer wieder pointierte, von versteckten Anspielungen nur so wimmelnde Dialoge zu zünden weiß. Wesentlich für die Qualität des Buches ist zudem, daß es kein bißchen politically correct ist. Auch ein rassistischer Kleinstadtsheriff (die monströse Ausgabe des Vorbilds aus "In the Heat of the Night") kann ein komplizierter Mensch sein, wie der schwule, auf Schlägereien und Brandstiftung fixierte Pine feststellen muß, ohne daß wir daraus den bequemen Schluß ziehen dürfen, es sei doch alles gar nicht so schlimm. Es ist alles noch viel schlimmer, aber eben deshalb auch sehr, sehr komisch.

© Thomas Wörtche

Joe R. Lansdale:
Mambo mit zwei Bären.
("The Two-Bear Mambo", 1995).
Roman. Dt. von Steve Klimchak.
Reinbek: rororo rororo 13958, 1996.
271 Seiten, DM 12,90


Mambo mit zwei Baeren

 

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