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Cream of Crime 5/1994

Joe Gores: 32 Cadillacs

 

Verbrechen haben literarisch gesehen den schönen Vorteil, daß sie einem Roman die Strukur diktieren können - das Skandalon, um das herum alles andere sich ergibt und/oder aus dem es herleitbar ist, das Skandalon als Zentralperspektive sozusagen. Das allmähliche Aussterben der ernstzunehmenden Literatur, die nach diesem Schema verfährt, hat damit zu tun, daß ein solches Skandalon nicht mehr glaubwürdig ist. Glaubwürdige Geschichten aus glaubwürdigen Welten funktionieren mittlerweilen nach anderen Gesetzen.

Joe Gores, von dem neben anderen wichtigen Büchern (zum Beispiel "Interface", mit dem er schon 1974 hellsichtig den guten, alten Privatdetektivroman als erledigten Fall abgehakt hat) auch "Hammett", die Romanvorlage zu dem Wim Wenders zugeschriebenen gleichnamigen Film stammt, erzählt in "32 Cadillacs" eine solche glaubwürdige Geschichte. Eine ganze Schar hochtalentierter Roma ergaunert aus nicht ganz uneigennützigen Motiven (und auch nicht aus ganz eigennützigen, nebenbei) 32 hochwertige Cadillacs, die Damen und Herren der Repo-Agentur Daniel Kearny Associate versuchen sie mit allen Mitteln wieder zurückzuholen. Die Roma sind sich untereinander alle nicht nicht allzu grün (warum auch?), die Repoleute ebensowenig. Also beginnt ein fröhliches Intrigieren und Gegenintrigieren, Koalieren und Kontrakoalieren, Hereinlegen, aufs Kreuz legen, Über-den-Tisch-ziehen. Allianzen wechseln blitzschnell, für ein Interesse findet sich gerne ein übergeordnetes.

Die Situationen, in die alle früher oder später kommen, sind haarsträubend bis abwegig, und Auswege gibt es immer nur für jemanden, der/die intelligenter, einfallsreicher, d.h. kreativer ist. Klar, daß Intelligenz und Kreativität nicht nach dem "gut" - "böse" Schema verteilt sind, denn solche Parameter (ebenso wie legal und illegal, legitim und illegitim) sind absolut sinnlos. Warum auch, wenn alle beteiligten Personen ums Überleben kämpfen. Daniel Kearny fürchtet um seine Firma, Bankmenschen fürchten um ihren Job, die Roma um ihren Lebensunterhalt, desgleichen die Repo-Leute, um ihre Provisionen.

Nun kann man den Kampf ums Dasein in einem Land ohne nennenswerte soziale Netze entweder als finstere Tragödie in schwarzer Hoffnungslosigkeit inszenieren, oder aber als elegante, leichtfüßige Komödie, die über die Miserabilität der Welt nur noch lachen kann. Joe Gores, ein lebenserfahrener Mann, der selbst als Privatdetektiv gearbeitet hat, hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden. Wenn eine Gesellschaft konstitutiv kriminell ist, dann heißt das auch, daß Handlungsoptionen offenstehen, an die man in harmlosen Zeiten noch nicht mal zu denken gewagt hat. Und diesen Umstand nützen seine Heldinnen und Helden aufs Genüßlichste - und siehe: Die Komik, die manngifaltigen Perspektiven, die Gores durch seine Figuren auf die Möglichkeiten von Welt bietet, eröffnen genauere Ansichten auf das, was sein könnte als alle bemühten literarischen Exerzitien um Moral und Sicherheit.

Im Vorwort entschuldigt sich Gores sehr ironisch, das Buch sei möglicherweise politically nicht correct. Was nur heißt: Wer sich den bösen Blick nicht verbietet, der sieht mehr. Und Gores sieht eine ganze Menge. Die Torheiten des Autofetischismus, die normale Gier normaler Geschäftsleute, die Praktiken von Banken (den Herrschaften der Deutschen Peanuts-Bank als Grundkurs empfohlen), die Stumpfheit von weggemogelten Rassismen (ob schwarz, Roma, weiß, männlich, behindert, weiblich, chicano etc. - jeder hat bei Gores die Chance, clever zu sein), akademischen Dünkel und erschütternde Dummheit. Daraus kann man nur eine Art schillerndes, buntes Mosaik machen - ein grundkomisches.

© Thomas Wörtche

 

Joe Gores:
32 Cadillacs.
Roman. Deutsch von Stefan Huck.
München 1994: Haffmans Kriminalromane bei Heyne
412 Seiten, DM 14.90

 

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