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Cream of Crime 5/1999

James Morrow: Das Gottesmahl

 

Auch wenn Science Fiction auf James Morrows Roman "Das Gottesmahl" draufsteht oder er den World Fantasy Award gewonnen hat, ist er weder Science Fiction noch Fantasy. Er ist allerdings auch kein Polit-Thriller, schon gar kein Exemplar des momentan so beliebten Vatikan-Thrillers und ebensowenig ein reiner Kriminalroman. "Das Gottesmahl" ist, wenn überhaupt Schublade, das erste mir bekannte Exemplar eines "Metaphysik-Thrillers". Und - irgendwie doch ein Krimi. Denn schließlich geht es um einen, gar mehrere Mordanschläge. Auf eine Leiche. Gott. Denn Er ist tot. Einfach so dümpelt Sein Leib im Golf von Guinea. Die Erzengel pfeifen auf dem letzten Loch, die Cherubim sterben schwarmweise. Die transzendentale Krise ist endlich da. Das muß auch Anthony van Horne erfahren, ein Bruchkapitän, der seinerzeit die "Exxon Valdéz", ähh, die "Karpag Valparaiso" auf ein Riff gesetzt und den Golf von Mexiko mit dem auslaufenden Öl versaut hatte.

Aber der tote Gott bietet ihm die Chance zur Rehabilitation. Mit letzter Kraft, also bevor ihm die letzten Federn ausgehen, heuert Erzengel Rafael van Horne an, den Heiligen Leib in die Arktis zu schleppen, wo er, vor Mißbrauch sicher, eingefroren werden soll. Ihm zur Seite steht Thomas Ockham, ein vom Vatikan beauftragter Jesuit, der solch reputierliche Monographien wie "Die Mechanik der Gnade" und "Superstrings und Erlösung" verfaßt hat.

Eile ist geboten, weil OMNIPATER, der päpstliche Zentralcomputer, eine gewisse Frist ausgerechnet hat, während der die Neuronenströme in Gottes zentralem Nervensystem noch fließen. Und so beginnt ein herrlich abgedrehtes Wettrennen, in dem allerlei praktische und theologische Probleme zu meistern sind. Denn der evidente Tod des Höchsten Wesens bringt nicht nur metapyhsische Verwirrung unter die Menschen, sondern auch logistische Probleme: Schließlich ist die Leiche 3 km lang und deswegen sehr knifflig ins Schlepptau zu nehmen ("Towing Jehova" heißt deswegen das Original). Und dann kommt der Mordplan ins Spiel. In der Rolle der Mordgesellen die radikalfeministisch verstärkte Vulgär-Aufklärung, die dem klerikalen Patriachat den endgültigen Gottesbeweis post mortem nicht gönnen will. Als Killer wird eine völlig durchgeknallte Truppe von Große-Schlachten-des-Zweiten-Weltkriegs-Nachspielern eingekauft, die das seltsame Abchleppgut mittels des alten Flugzeugträgers "USS Enterprise" auf den Meeresgrund bomben soll. Mehr wird nicht verraten. Nur so viel noch: "Das Gottesmahl" ist ein extrem witziges, intelligent albernes und kluges Buch (das auch recht flott übersetzt ist, aber an der Entscheidung leidet, Bezugsgrößen einzudeutschen: Ein "Thomas Gottschalk der Meere" stört einfach).

An den wunderbaren Blasphemien (z.B. ergibt sich ein Versorgungsengpaß, und die Schlepperbesatzung muß das Abendmahlritual plötzlich sehr wortwörtlich nehmen) und der scharfzüngigen Kasuistik des Jesuiten Ockham hätte auch G. K. Chesterton, dessen paradoxer Geist das Buch atmet, seine Freude gehabt. Monotheismus und platter Rationalismus werden mittels der actionreichen und spannenden Handlung bis an ihre extremen Grenzen ausgereizt und und frieren ein wie Sein finales Grinsen. Weil sich für einen anständigen Metapyhsik-Thriller auch eine handfeste Ordnungsmacht ziemt, tritt als solche der "kategorische Imperativ" auf. Als Retter in höchster Not. Da kann Gott getrost tot sein, was wohl auch Seiner Absicht entsprochen haben dürfte.

 

© Thomas Wörtche, 1999

 

James Morrow:
Das Gottesmahl.
(Towing Jehowa, 1994).
Roman. Dt. von Horst Pukallus.
München: Heyne 1999,
494 Seiten, DM 19,90

Das Gottesmahl

"Cream of Crime" ist im Juni 1999 leider nicht erschienen.

 

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