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Cream of Crime 8/1994

Ronald Levitsky: Liebe tötet

 

Wie weiland Virgil Tibbs aus dem Zug steigt Nate Rosen aus dem Bus - diesmal in Musket Shoals, Virginia. Rosen ist im Gegensatz zu Tibbs nicht schwarz, aber er arbeitet für das Committee for the Defense of the Constitution, und das macht ihn im tiefen Süden auch nicht beliebter. In dem hübschen Kleinstädtchen ist eine junge Vietnamesin ermordet worden, der Hauptverdächtige ist ein übler Redneck, der auch noch bei der G.U.N (= Guardians of the Undefiled Nation) organisiert ist, einer genauso widerlichen rassistischen Organisation. Der Sheriff von Musket Shoals ist auch nicht gerade ein liberaler Typ, und die Politprominenz des Kaffs riecht zehn Meilen gegen den Wind nach Korruption und Selbstherrlichkeit. Alles klar, was dann passiert? Ein Remake von In The Heat Of The Night - nur mit einem Juden statt einem Schwarzen in der Hauptrolle?

Nix ist klar, und wenn Ronald Levitsky, der mit "Liebe tötet" seinen ersten Roman vorlegt, tatsächlich den Grundkonflikt von John Balls Klassiker als Folie präsent hält, dann nur, um Erwartungshaltungen in die Irre zu führen; um ironisch zu demonstrieren, daß die Verhältnisse seit 1965 viel komplizierter geworden sind und der offene Rassimus der Herren in den komischen Bettüchern von subtileren, aber deswegen nicht harmloseren Konstellationen überrollt worden ist. Das Commmittee hat Rosen nicht etwa in den Süden gesandt, um aufzupassen, daß das G.U.N. Mitglied nicht von einer heimlich sympathisierenden Jury freigesprochen wird, sondern um sicherzustellen, daß der Porzeß fair ist, auch bei eventueller antirasssistischer Hysterie, denn Menschenrechte gelten auch für durchgeknallte weiße Ekelpakte. "Anti-Rassismus" ist heute für die einheimische Politprominenz das beste Sprungbrett zu Popularität und somit zu den Fleischtöpfen. Und natürlich ist auch der Konflikt zwischen Schwarzen und Weißen längst einer noch brisanteren Gemengelage gewichen. In Musket Shoals haben sich nämlich viele Vietnamesen niedergelassen und deren Geschäfstüchtigkeit und Fleiß sind manchen ein Dorn im Auge, egal aus welcher Ethnie. Andererseits kann man wunderbare Geschäfte mit ihnen machen und an ihnen verdienen.

Levitskys Roman spielt Ping-Pong mit solchen Konstellationen, er läßt die Klischees sich gegenseitigen aufheben und sorgt damit für überraschende Effekte. Er tut das nicht mit einem Brillantfeuerwerk an Twists und Gags, sondern eher leise und gemächlich, und spinnt den Leser allmählich ein in seine Spannungsnetz. Das hört sich altmodisch und betulich an, ist es aber nicht, weil Levitsky seine Figurenkonstellationen in Bewegung hält und damit undurchsichtige Verhältnisse immer undurchsichtiger werden läßt. Die Wahrheit ist eine fromme Schimäre, und die Wahrheit beim Showdown ist so zweifelhaft, daß das Happy Ending eigentlich nur schwarzhumorig zu verstehen ist. Was mir beinahe noch mehr imponiert, ist die leise List, mit der Levitsky in den ganzen rassistischen Sumpf den latenten und manifesten Sexismus hineinmanövriert, der vom Hauptthema 'Rassismus' sonst immer so leicht als 'Nebenwiderspruch' weggemogelt wird.

Bei einem solchen Reizthema bin ich allerdings mehr als dankbar, daß Levitsky kein Problemspediteur ist, sondern ein Schriftsteller, der eine entscheidende Aufgabe von Literatur ernst nimmt: Er erzählt mir, wie es in einer Gegend aussehen könnte, die ich nicht kenne; was für Leute dort herumlaufen und wie die ticken. Kurz: Er tummelt sich dort, wo nach Tom Wolfe der "fruchtbarste Boden für den Roman" liegt. Und das ist immer noch "das soziale Tableau, die Sitten und die Moral, die ganze Sache des 'so-wie-wir-heute-leben'". Mehr davon.

© Thomas Wörtche

Ronald Levitsky:
Liebe tötet.
(The Love that Kills, 1991)
Roman. Aus dem Amerikanischen
von Gisela Kirberg Mamone.
Reinbek bei Hamburg 1994: rororo thriller.
267 Seiten, DM 10.90

 

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