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Cream of Crime 11/1994

Charles Willeford: Playboys in Miami

 

Kriminalliteratur, so geht das Klischee, hat immer mit exaltierten Momenten zu tun. Mord, Totschlag, Gewalt, Raub, Verbrechen, womöglich organsiert, Schändung, waghalsige Coups - alles Verdichtungen des Allzunormalen, aber in der Form eines Thrillers potentiell Exorbitanten - das scheint das Genre traditionellerweise immer wieder zu formulieren. Die Normalität, die alltagskonstituierende Banalität des "Verbrechens" erscheint in solcher Kriminalliteratur, die dergleichen Klischees bedient (und das sind immerhin vorsichtig geschätzte 80%), in der zugespitzten Dramaturgie des Thrills verdeckt, als nur Sensationelles camoufliert und, ironischerweise, zur Nichtexistenz verharmlost, weil die häufig mageren ästhetischen Darbietungsformen auch die Marginalisierung der Themen zulassen.

Wie abseits des üblichen Inventars von Kriminalität und Kriminalliteratur (also "Polizei", "Verbrecher", "Milieu" etc.) alltägliche Gewalt aussehen kann, das zeigt der posthum erschienene Roman "Playboys in Miami" von Charles Willeford, der den zweiten Teil des 1988 erschienen "Miami Love" darstellt. Hank Norton, der nette junge Mann next door aus "Miami Love", der bedauerlicherweise zum Mörder werden mußte (nicht, daß er was dazukonnte, nicht, daß es ihm arg peinlich war), ist auch in "Playboys in Miami" (ein etwas ungeschickter Titel, weil das Buch zu wesentlichen Teilen in Chicago spielt) wieder mit von der Partie, zusammen mit seinen ebenfalls schon bekannten Freunden Larry Dolman, Eddie Miller und Don Lucchesi. Am Anfang des Buches kommen zwei Menschen ums Leben, am Ende noch einer. "Warum?" ist die falsche Frage. Es passiert halt. Und die Beteiligten tun das, was gute Bürger, die ihre Ruhe schätzen, halt so tun: Sie räumen den Dreck unauffällig weg. Ob das eine Opfer stirbt, weil einer der netten "Playboys" es unbedingt 'aufreißen' mußte, ob das zweite umkommt, weil einer der braven Bürger es einfach nicht leiden konnte und das dritte stirbt, weil es sich in eine widerwärtige Situation freudig hineinmanövriert hat, das schlägt niemanden aufs Gewissen. Opfer Nummer drei ist identisch mit dem Täter an Nummer zwei, aber daraus einen Kausalzusammenhang herstellen zu wollen, das, so Willeford, wäre eine papierern-literarische Konstruktion. Bei ihm ist höchstens ein leises Kichern darüber zu hören, wie's einen durchaus zurecht trifft (drei andere aber nicht).

Der fast surreale Zug, der Willefords beiden Bücher um die vier guten amerikanischen Männer, die sich ihr Bierchen doch nicht durch irgendwelche Leichen versauen lassen, auszeichnet, rührt daher, daß Willeford Erzählstil korrespondiert mit der Gefühlslage seiner Protagonisten. Er läßt seine vier jämmerlichen Helden reden: Sie sind "cool", unaufgeregt, zu Scherz und Frohsinn bereit, in ihnen obwaltet der gesunde Menschenverstand, der Wille zum Überleben, die Fähigkeit zum Anpacken - all die amerikanischen Tugenden, wie der weiße Mann sie sich zurechtbastelt. Nie sind sie abgebrüht und ausgesprochen kaltschnäuzig. Nein, sie sind nett, sympathisch, manchmal liebenswert. Aber üble Machos und haarsträubende Rassisten. Das sagt Willeford nirgends, das klagt er nicht an, das zeigt er nur. Sein giftiger Humor liegt weniger auf der Ebene des Wortwitzes oder der komischen Konstellation, sondern in der kühl-deskriptiven Konfrontation von Taten und dem Reden, bzw. Erzählen über diese Taten. Die "Hölle" des Alltäglichen hatten die Autoren des Noir (Goodis & Co.) in den 40er Jahren hinlänglich untersucht. Willeford gesteht dem Zustand der zwischenmenschlichen Beziehungen noch nicht mal mehr das Prädikat "Hölle" zu. Nur noch die glasklare, wenn auch aschfahle Überzeugung, daß homo sapiens wohl so ist.

© Thomas Wörtche

 

Charles Willeford: Playboys in Miami
(The Shark-Infested Custard),
Roman. Deutsch von Rainer Schmidt.
Reinbek 1994: rororo Thriller 3153.
154 Seiten, DM 9,90

 

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