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Mit Bosheit, Gift und Galle

Thomas Wörtche über Ben Elton und seinen Roman »Popcorn«

 

Popcorn In Ben Eltons gemeinem satirischen Roman "Popcorn" bekommt der Regisseur Bruce Delamitri den Oscar. Sein preisgekröntes Werk heißt "Ordinary Americans", ein Film, den wir uns getrost als Mischung aus "Natural Born Killers" und "Pulp Fiction" vorstellen sollen. Delamitri ist der Typ des pickligen Filmhochschulabsolventen, der zwar nie Mädels abgekriegt, aber durch Zufalll und die merkwürdigen Launen des Zeitgeists einen Megahit gelandet hat. Seine Pose ist die des zornigen coolen, zynischen Rebellen, der vernünftig genug ist, bei der Preisverleihung das versammelte Hollywood aufs Widerwärtigste vollzuschleimen. Das Business hat's kapiert: Der ist einer von uns. Sein Filmchen ist zwar nichts als ein budgetgünstiger kleiner, ekelhafter Sex & Gewalt-Streifen, aber die Interpretationsrhetorik hat für dergleichen Fälle flugs die richtigen Instrumente parat: Die Dekonstruktion der Einstellung, die Ironie des vaginalen Blickwinkels und so weiter. Die konservative Publizistik schäumt vor Haß, besonders seit zwei echte Ausgeklinkte, die Copycat-Killers, wie ihre Vorbilder im Film eine Blutspur durch die USA ziehen. Und warten, just in der Nacht nach der Oscar-Verleihung, auf das Junggenie in dessen Villa mit einem gar nicht so absonderlichen, sondern in ihrer Logik naheliegenden Plan.

Der Brite Ben Elton, der seine Finger in ziemlich vielen multimedialen Satireprojekten auf der Insel hat, nimmt eine gute, alte Tradition auf: Er mokiert sich, ähnlich wie Evelyn Waugh mit "Tod in Hollywood", über die Vettern überm Teich, von deren Medienmacht sich die Brits mehr und mehr herausgefordert fühlen. Uns soll der Hader recht sein, denn Eltons Buch ist hemmungslos komisch. Sein Spotten und Speien ist keine bleischwere, bedenkentragende "Kritik an Hollywood", wie sie unsere Filmdenker so gerne haben. Sie führt mit Bosheit, Gift und Galle konsequent die Spirale ad absurdum, die entsteht, wenn (a) Filme über (b) die reale Gewalt und (c) über deren mediale Verarbeitung im (d) Medium des Films zum Hit werden. Elton fügt (e) dazu, was passiert, wenn das alles (f) im Fernsehen mitgefilmt und (g) von dem inszeniert sich gegen die Urheber von (a) richtet, was (h) zu ganz neuen Möglichkeiten für alle führt.

Im Original ist es putzig zu beobachten, wie Elton (GB) seine Figuren (USA) amerikanisch reden zu lassen versucht, in der Übersetzung geht diese Dimension natürlich verloren. Trotzdem bleibt genug übrig, um sich zu all dem erzählten Irrsinn auch noch darüber köstlich zu amüsieren, wie die Brits sich die Amis vorstellen und wie fruchtbar für Scherz und Frohsinn das Spannungsverhältnis zwischen zwei Völkern mit einer angeblich gemeinsamen Sprache ist. Nein, Elton hat nicht Hollywood die Maske vom Gesicht gerissen (das kann Hollywood durchaus selbst), er hat es nur wollüstig gröhlend ausgelacht. Was soll man auch sonst tun?

© Thomas Wörtche, 1997
(taz, 18.08.1997)

 

Ben Elton: Popcorn. (Popcorn, 1996). Dt. von Jörn Ingwersen. München: Goldmann Taschenbuch Verlag, 1999, 255 Seiten, 6.45 Euro (D)
(Die Besprechung bezieht sich auf die Ausgabe München: Manhattan by Goldmann, 1997.)

 

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