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Frauen, Fussball, Saufen

Die Fußballweltmeisterschaften von 1982 und 2006, die beide Italien gewonnen hat, bilden die zeitliche Klammer in Roberto Costantinis Roman »Du bist das Böse«. 1982 verpfuscht der junge Polizist Michele Balistreri eine Mord-Ermittlung, und sein Versagen hat fatale Folgen. Als ein knappes Vierteljahrhunder später, während der WM von 2006, wieder Morde passieren, die Parallelen zu den Ereignissen von 1982 aufweisen, bekommt Commissario Balistreri eine zweite Chance. Im ersten Band einer Trilogie um den römischen Polizisten Balistreri überzeugt der Autor Roberto Costantini mit einem wuchtigen Panorama.

Von Thomas Wörtche

 

Du bist das Böse

Trotz des leicht albern anmutenden Titels: »Du bist das Böse«, ist der Roman von Roberto Costantini ein beeindruckender Wurf. Die zeitliche Klammer bilden die italienischen Fußballweltmeisterschaften 1982 und 2006. Während des Endspiels 1982 in Spanien verpfuscht die Hauptfigur, Commissario Michele Balistreri, eine Morduntersuchung, weil er Frauen, Fußball und Saufen im Kopf hatte. Er geht wichtigen Spuren nicht nach, folgt seinen Instinkten nicht, schaut nicht genau hin und richtet damit im Leben von Menschen viel Unheil an. Unbewusst, indolent, gleichgültig.

2006, während die WM in Deutschland auf das Endspiel Frankreich gegen Italien hinläuft, geschehen wieder Morde, die an den alten, nie gelösten Fall von damals anknüpfen.

Ein inzwischen vom Leben und Schuldkomplexen schwer gebeutelter, beinahe geläuterter Balistreri muss aufräumen. Es gilt Schuld in rauen Mengen abzutragen, Menschen und Konstellationen von damals neu zu betrachten. Auch wenn das neue Schuld und neue Opfer bedeutet. Anständige Menschen, darunter Mitarbeiter des unglücklichen Balistreri müssen sterben, weil er die ganze Tragweite der Vorgänge immer noch nicht begreift. Wie auch - ist doch Balistreri kein Held eines Pizza & Pasta-Krimis, sondern die Hauptfigur eines auf drei Teile angelegten Epos von erklecklichem literarischen und intellektuellen Gewicht.

Der Roman verzahnt sehr dicht Privates und Politisches, ein paar paranoide Grundhypothesen, dass etwa Italien von konservativen Kräften noch mehr ins Chaos gestürzt werden soll, um eine autoritäre Regierung zu legitimieren, teilt Costantini z.B. mit seinem Kollegen Giancarlo de Cataldo, dessen Einfluß besonders im ersten Teil des Buches spürbar ist.

Bei Costantini wird diese Position umso akzentuierter, weil sein problematischer Polizist Balistreri früher selbst dem Faschismus nahe stand, bevor er bei der Polizei Karriere machte. Wie Politik polizeiliche Ermittlungen lenken und blockieren kann, wie einerseits verwoben, andererseits konkurrenzhaft die verschiedenen Eliten agieren, wie Xenophobie und Rassismus (populistische Kampagnen besonders gegen Roma spielen im zweiten Teil eine erhebliche Rolle) funktionalisiert werden können und wie Italien immer noch mit seinen alten afrikanischen Kolonien verbunden ist, das alles integriert der Roman geschickt in seinen Plot. Erfreulich ist dabei auch, dass mit Autoren wie Roberto Costantini eine sehr politisch engagierte, intellektuell sehr ernsthafte italienische Kriminalliteratur bei uns allmählich wieder sichtbarer wird.

Wenn es eine Achillesferse gibt, dann die: Weil »Du bist das Böse« als Whodunit bis zur letzten Seite überraschen möchte, wirkt der Roman leicht überkonstruiert. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau.

 

Roberto Costantini: Du bist das Böse. (Tu sei il male, 2011). Roman. Aus dem Italienischen von Antje Nattefort. Deutsche Erstausgabe. München: C. Bertelsmann, 2012, 575 S., 19,99 Euro (D), Kindle: 15,99 Euro (D)

© Thomas Wörtche, 2012
(Deutschlandradio Kultur,
04.10.2012
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Roberto Costantinis Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1882946/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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