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Die einen sind reich, die anderen tot

Der südafrikanische Autor Andrew Feinstein hat zehn Jahre lang für sein Buch »Waffenhandel« recherchiert. Herausgekommen ist eine akribische, aus kalter Wut geborene Studie, die mit klarem Blick eines der größten Probleme der Menschen analysiert und mit diversen globalen Heimsuchungen unserer Zeit verknüpft.

Von Thomas Wörtche

 

Waffenhandel

Waffenhandel ist ein merkwürdiges Thema: Obwohl es um Leid, Tod und Elend von Menschen geht, ist das nachhaltige Empörungspotential eher gering. Die Materie ist komplex und wenn keine direkten Bilder geliefert werden, auch abstrakt. Auf der anderen Seite ist Waffenhandel eines der größten Probleme des Planeten, weil er mit so vielen anderen Aspekten verknüpft ist, die das Zusammenleben der Menschen bestimmen: Waffenhandel und makrostrukturelle Korruption, Völkermord und Tyrannei, Organisiertes Verbrechen und ungezügeltes Profitstreben, Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit, neuer Imperialismus und Totalitarismus - alle diese globalen Heimsuchungen müssen in einem großen Zusammenhang gedacht werden.

Der Südafrikaner Andrew Feinstein hat den Sisyphus-Wurf gewagt: Auf 847 Seiten, davon über 100 Seiten penibelste Quellenangaben und Anmerkungen, skizziert er die Entwicklung im 20. Jahrhundert und den aktuellen Status des Waffenhandels, weltweit. Ein großer Vorzug liegt dabei in der Methode, nicht zwischen "legalem" und "illegalem" Waffenhandel zu unterscheiden, weil beide konstitutiv unentwirrbar miteinander verknüpft sind. Pro Jahr werden ungefähr 1.6 Billionen Dollar für Rüstungsausgaben budgetiert, das sind pro Kopf der Weltbevölkerung 235 Dollar, dazu kommt noch einmal ein Handelsvolumen von 60 Milliarden Dollar für kleine und größere Waffen außerhalb der Budgets. Das mag angesichts der Abermilliarden, die im Moment die Bankenkrise verschlingt, nicht allzu beeindruckend sein, aber Feinstein zeigt, wie am Beispiel Waffenhandel die ungeheure Schere zwischen Profiteuren und Verlierern auf den Punkt gebracht ist: Die einen sind reich, die anderen sind tot.

Es ist unmöglich, alle Aspekte aufzulisten: Feinsteins aus kalter Wut geborenes Buch - er war als Politiker des ANC Zeuge, wie Südafrika nach Mandela angesichts der gigantischen Profitchancen des Waffenhandels seinen "moralischen Kompass" verlor - geht radikal vor: Es zeigt, wie Rüstungsindustrie und Außenpolitik der USA bis heute Hand in Hand Profitinteressen durchsetzen ("Ich bin als hochrangiger Gangster für den Kapitalismus unterwegs gewesen", sagt ein General des Marines); er zeigt, wie der militärisch-industrielle-elitäre Komplex in Großbritannien eigenen Ordnungsbehörden wie das Serious Fraud Office auflaufen lässt; er zeigt, wie eine aus Alt-Nazis bestehende Waffenhändlerbande namens Merex an so ziemlich allen unappetitlichen Konflikten verdient; er beschreibt die Rolle der neuen Mitspieler China, Weißrussland und Iran in allen blutigen Gegenden Afrikas, und er beleuchtet die Gespinste zwischen Russland, Waffenhändlern wie Viktor But und der Mafia. Schilderungen wie die des Massakers von Freetown, das die Soldateska von Charles Taylor 1998 verübt hatte, erspart uns Feinstein zwischen stringenter Argumentation und bergeweisen Belegen nicht.

»Waffenhandel« ist ein dringend notwendiges Buch. Es macht gegen alle Euphemismen von Politik immun, es ist in hohem Masse geeignet, "Vertrauen" in offizielle Verlautbarungen zu Weltlage zu unterminieren.

 

Andrew Feinstein: Waffenhandel - Das globale Geschäft mit dem Tod. (The Shadow World: Inside the Global Arms Trade, 2011). Aus dem Englischen von Stephan Gebauer, Tom Goeller, Jens Hagestedt, Bernhard Josef, Jürgen Krause, Thorsten Schmidt, Jochen Schwarzer. Deutsche Erstausgabe. Hamburg: Hoffmann & Campe, 2012, gebunden mit Schutzumschlag, 847 S., 29.99 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2012
(Deutschlandradio Kultur,
22.05.2012
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Andrew Feinsteins Buch finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1763338/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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