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Gepflegte Lemuren

John le Carré erzählt in seinem neuen Roman »Verräter wie wir« eine komplexe Geschichte um internationale Finanzströme. Hauptfigur ist ein russischer Experte für Geldwäsche, der aussteigen will und dem Britischen Geheimdienst sein Wissen gegen Schutz für sich und seine Familie anbietet. Bearbeitet hat le Carré seinen Stoff als heiteren Gesellschaftsroman, wodurch das Werk noch böser wirkt.

Von Thomas Wörtche

 

Verräter wie wir

Eine böse Geschichte wird noch böser, wenn man sie charmant erzählt. So wie John le Carrés neuester Roman »Verräter wie wir« es tut. Der Maestro der Geldwäsche, der Virtuose der Verwandlung von Schwarzgeld in solides Kapital, der Paganini der Finanzmanipulation möchte aussteigen. Er arbeitet für ein russisch-internationales Konglomerat aus der Grauzone von offen Organisiertem Verbrechen und mafia-analogen Strukturen zur bedenkenlosen Profitmaximierung. Mafia-interne Diadochenkämpfe in Russland, denen schon seine engsten Mitarbeiter zum Opfer gefallen sind - sie wurden in aller Öffentlichkeit massakriert, das Ganze zynisch als LKW-Unfall mit Rückendeckung der offiziellen Politik deklariert - zwingen ihn zu diesem Schritt, wenn er mit seiner Familie und seinem Clan überleben will.

Deswegen bändelt Dima, so heißt das Finanzgenie von der kolossalen Gestalt, mit dem britischen Geheimdienst an - Schutz und eine neue Identität gegen detaillierte Informationen, wie die Legalisierung von gigantischen Mengen Schwarzgeld läuft und wie das westliche Bankensystem daran beteiligt ist. Denn nach der Finanzkrise ist der Bedarf an und die Gier nach Geld nicht nur an den Finanzplätzen London und Zürich ungeheuer. Wie es von wem mit was erwirtschaftet wurde, das will kein Mensch wissen …

Seinen moralischen Furor kleidet le Carré in diesem Buch nicht mehr in grobschlächtiges Wüten, was seinem vorgehenden Roman »Marionetten« nicht gut getan hatte. In »Verräter wie wir« bedient er sich einer sehr artifiziellen, aber wirkungsvollen Inszenierung: Ein junges britisches Pärchen, sportlich-schlurfiger Oxford-Dozent mit Herz und hübsche, aufstrebende Anwältin mit entsprechendem Empathie-Quotient, vermitteln, anscheinend zufällig, zwischen dem Geldwäscher und dem Geheimdienst. Die beiden sind so frisch, so sympathisch, so bedacht und sensibel, dass sie irgendwo den Romanen von Somerset Maugham oder P.G. Wodehouse (den le Carré prompt zitiert) entsprungen sein könnten.

Auch die hartgesottenen Geheimdienst-Profis, die berufsmäßigen Verräter (oder Retter ihrer Ideale, das kommt auf den Standpunkt an), agieren hier heiter und plaudern leichthin in meisterhaften Dialogen, die nur so funkeln vor Witz, Esprit und Anspielungsreichtum. Der Kontrast von Erzählstil und Erzählinhalt lässt die Ungeheuerlichkeiten, die uns le Carré vor Augen führt, umso deutlicher werden. Wenn er die Finanzjongleure, die Top-Anwälte für die allerschmutzigsten Interessen, die Mittler und Makler der internationalen Geldströme, die Stadthalter der diversen Mafien und die Vertreter der legalen Regierungen unserer westlichen Demokratien, die auch nichts dringlicher brauchen als Geld für ihren "Kampf gegegn den Terror" und ihre Finanzschirme - wenn le Carré also alle diese gepflegten, gebräunten und kultivierten Lemuren einfach nur vorführt und mit unserem netten und dann doch sehr ahnungsvollen Pärchen konfrontiert, dann wissen wir, dass auch der heiterste Roman über den Lauf dieser Welt nicht wirklich heiter ist. Sondern zum Schreien blutig.

 

John le Carré: Verräter wie wir. (Our Kind of Traitor, 2010). Roman. Aus dem Englischen von Sabine Roth. Deutsche Erstausgabe. Berlin: Ullstein, 2010, gebunden mit Schutzumschlag, 412 S., 24.95 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2010
(Deutschlandradio Kultur,
08.11.2010
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über John le Carrés Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1313360/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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