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Grauzone

Der australische Autor Peter Temple, weltweit mit seinen Poltitthrillern erfolgreich, hat zwei Jahre als Übersetzer in Hamburg gelebt. Die deutsche Hansestadt spielt in seinem Roman »Tage des Bösen« eine prominente Rolle, der nun zehn Jahre nach der Originalausgabe auf Deutsch erschienen ist. Hamburg ist der Sitz der Firma Weidermann & Kloster, die mit Informationen dealt und in der Grauzone zwischen Geheimdiensten, Großindustrie und Politik agiert.

Von Thomas Wörtche

 

Tage des Bösen

Nehmen wir mal an, Sie haben der Ukraine irgendetwas, über das wir nicht spekulieren wollen, im Wert von fünf Millionen Dollar verkauft oder eine Dienstleistung erbracht und die Ukraine zahlt nicht. Dann gehen Sie zur Firma Bowden in London, die "internationales Inkasso" betreibt und Ihnen Ihr Geld zumindest teilweise wieder beschaffen kann. Dazu braucht Bowden Informationen der sehr spezialisierten Art und die wiederum gibt es von der Firma Weidermann & Kloster in Hamburg, diskret, illegal und umfassend. W & K dealt mit Informationen, egal für wen, egal über was, egal, was mit diesen Informationen passiert. John Anselm, Deutsch-Amerikaner, Journalist mit CIA-Kontakten und nach einer überlebten Geiselnahme durch Islamisten schwer traumatisiert, arbeitet für W & K, als die Firma in eine Aktion amerikanischer und britischer Geheimdienste involviert wird: Die wollen ein lange zurückliegendes Massaker in einem angolanischen Dorf vertuschen, von dem es ein Video gibt, auf dem ein jetzt aufstrebender Politiker als Mittäter zu sehen ist. Dieses Video fällt dem südafrikanischen Söldner Constantine Niemand in die Hände, der es eigentlich bloß verkaufen will. So wird Anselm zum Jäger, Niemand zum Gejagten, beide mehr oder weniger widerwillig.

Die große Qualität des Romans besteht in der meisterhaften Erzählweise. Temple erklärt so gut wie nichts, alles erschließt sich aus Dialogen, aus rätselhaften Schilderungen normal anmutender, aber immer doppelbödiger Ereignisse und Situationen. Vor minutiös recherchierter Topographie - selten ist Hamburg so präzise in einem internationalen Roman geschildert worden - schickt Temple seine Leser in die fahlen Gegenden der privaten Zulieferindustrie für Geheimdienste, für die die Bezeichnung "zwielichtig" noch viel zu optimistisch wäre. Informationen, die man sich nicht beschaffen kann, gibt es in dieser Welt nicht, Profit und politische Vorteilnahme sind die einzigen verlässlichen Werte.

Aber deswegen ist der human factor keinesfalls suspendiert. Temples Porträt des traumatisierten John Anselm mit seiner komplexen Familiengeschichte und das des Söldners Niemand, der nichts anders lieber wäre als ein normaler, ordentlicher Mensch, sind eindringlich, klischeefrei und raffiniert in die Handlung verwoben.

Überhaupt ist der ganze Roman derart dicht geknüpft, dass man keinen Moment den Eindruck hat, etwas anderes zu lesen, als eine irre, spannende, verwickelte, manchmal brutale Geschichte über eine Reihe von Menschen in ungewöhnlichen Situationen, vorgetragen in höchst kunstvoller Prosa, mit Momenten intensivster Action.

Ohne einen Hauch von Didaxe ist der Roman dabei auch ein waschechter Polit-Thriller, der unter anderem die Naivität unterminiert, man könne Zugang zu und den Gebrauch von Informationen zu irgendwelchen Zwecken gesetzlich hegen, begrenzen oder sonst wie demokratisch kontrollieren. Zehn Jahre haben wir deutschsprachigen Leser auf das Buch warten müssen, belohnt werden wir mit einem Meisterwerk, einem Meilenstein des Polit-Thrillers.

 

Peter Temple: Tage des Bösen. (In the Evil Day, 2002). Thriller. Aus dem australischen Englisch von Sigrun Zühlke. Deutsche Erstausgabe. München: Bertelsmann, 2012, Klappenbroschur, 430 S., 14.99 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2012
(Deutschlandradio Kultur,
18.05.2012
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Peter Temples Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1760049/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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