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Leichenberg 2/1995

 

Konkurrenzlos hat dieses Jahr den "Deutschen Krimipreis" D.B. Blettenberg für seinen Roman "Blauer Rum" bekommen - wie geschickt, daß das Schweizer Verlagshaus gleich eine schlanke elegante Novelle nachschieben kann: Victoria Falls, ein Text, der wie oft bei Blettenberg auf der spannenden Grenze zwischen Thriller und Abenteuer angesiedelt ist.

Das hat bekanntlich Tradition, und ein hierzulande unbekannter Teil dieser Tradition ist Verbotener Dschungel  von Jonathan Latimer (Diogenes). Ein Buch, in dem der manchmal heftig am Rassismus entlangschrammende Latimer sich auf seine Qualitäten besinnt: außergewöhnliche Geschichten mit viel Sinn für Dialoge federleicht zu erzählen.

Eine andere spannende Linie Verläuft zwischen SF und Thriller, und wer da geschickt hin- und herspringen kann, der darf abräumen: Pierre Ouellette zum Beispiel, der den sicher beknacktesten, abgedrehtesten und abwegigsten Plot der letzten Jahre (Thema: Der Computer & die Gene) zu einer Tour de Force über 568 Seiten verwandelt. Garantiert haarsträubender Unsinn, aber rasant gemacht: Die Deus Maschine  (Heyne) heißt dieser Backstein. Subtiler sind die Genüsse von Gisbert Haefs' intergalaktischem Politthriller Traumzeit für Agenten   (Haffmans) bei dem die Pointe sehr, sehr sophisticated ist - Thema: Linguistik & Action.

Zum Thema "Court-Room-Drama" nix Neues. Zwar bemüht sich John T. Lescroart mit Das Indiz  (Heyne) dem inzwischen ausgelutschten und uninteressanten Subgenre ein bißchen Tiefe zugeben, verwechselt dabei aber leider Tiefe mit Länge. 578 Seiten ist eine Menge Holz. Und deswegen wieder ein klarer Fall von Regenwaldvernichtung. Dito David Debin: Nette Typen sterben schneller  (Goldmann) - ein mit flockig-poppigem Szenejargon aufgemotzter Unfug für berufsjugendliche Alt-Hippies. Das Günstigste, was man vermuten kann, ist, daß der Herr Autor sich selbst nicht so ernst nimmt. Wir ihn auch nicht.

Wenn auch sonst nichts - seine Leser nimmt George Baxt sehr ernst. Weil er ihnen wunderbare, komische und intelligente Geschichten andreht. Diesmal Schlafzimmertalk über Peter Lorre, Erich von Stroheim, Salka Viertel und wer sonst noch in der Nähe ist, wenn ein Mordfall für Greta Garbo  (Haffmans) ansteht. So brillant kann man unsere niederen Gelüste auf Klatsch & Tratsch ausplündern.

Etwas zu sehr auf Kosten seines Themas läßt Erich Hackl uns seine Sprachgewalt spüren. Sara und Simón   (Diogenes) erzählt eine traurige Geschichte aus den traurigen Zeiten der südamerikanischen Militärdiktaturen (Uruquay und Argentinien), aber irgendwie überwölben die Demonstrationen des Autors, welche Sprachgesten und - höhen (vom nüchternen Protokoll bis zum Grimm'schen Märchen) er so draufhat, seine Geschichte. Nix gegen Sprachspiele jeder Art, dies hier ist danebengegangen.

Deutlich danebengegangen ist auch Ronald Levitskys zweites Buch: Die Klugheit der Schlangen  (rororo), weil er, wie seine Hauptfigur Nathan Rosen, gerecht, ganz fürchterlich gerecht sein will. Aber ob man damit literarisch einer durchgeknallten Mini-Kirche im Mittleren Westen, die's mit Schlangen hat, beikommt?

Zum Schluß ein kleines Juwel, versteckt bei Heyne: Der Titel schreckt eher ab: Gleißendes Licht. Geschichten aus der Tiefe der Nacht. Das Original heißt schlicht "Night People". Diese locker verbundenen Geschichten von Barry Gifford sind feingesponnene und komische Kleinode über die grobe Welt.

© Thomas Wörtche

 

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