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Leichenberg 02/1996

 

Es sieht von außen aus wie ein Roman, es hat 799 Seiten, kostet 49,50 DM, hat innendrin auch hinreichend viele schwarze Zeichen auf weißem Untergrund. Tatsächlich ist es jedoch ein Handbuch: Für Börsianer und solche, die es werden wollen; für Piloten, Admiräle, Superspione, Politiker und Lobbyisten, Wirtschaftswissenschaftler und Geologen; für TÜV-Spezialisten und Sonarfreaks. Und für Weltpolitiker, vor allem für die. Die alle brauchen bloß noch nachzuschlagen und mitzuschreiben, dann wissen sie, wie die Welt tickt. Denn die USA hätte niemals abrüsten dürfen, und die Russen auch nicht. Das rächt sich nämlich. Denn die Japaner haben darauf nur gewartet und die Chinesen auch. Und die Inder. Die wollen nämlich alle nur eins: Die Bodenschätze von Sibirien an sich raffen und dann die USA (und den alten Westen) endlich kleinkriegen. Aber Rettung naht: Wer die versammelten Handbücher ganz genau studiert, weiß auch, was man dagegen tun kann. Ehrenschuld  heißt das Wunderwerk und ist natürlich der neue Roman von Tom Clancy. Halt, Roman eigentlich nicht, sondern ein Megahit der unfreiwilligen Komik. Beinahe eine neue Textsorte, bzw. eine neue Währung: Absolut sinnlos bedrucktes Papier gegen echtes Geld. Letzteres abzugeben beim Verlag Hoffmann & Campe. Zu diesem Coup gratulieren wir.

Dagegen fallen die mageren 578 Seiten (und die 19,80) ab, auf denen ein gewisser Alfio Caruso die Ermordung eines schwedischen Ministerpräsidenten mit dem Mossad, dem Iran, dem Irak, der Mafia und was sonst noch so alles an Nebulösem in der Gegend herumlungert, zusammenquirlt. Auf so einem niedrigen Niveau, daß eigentlich selbst dem treuesten Wordprocessor die Bits & Bytes sauer werden müßten. Das eigentlich Interessante daran ist nur: Wer kauft solche Heftchen-Romane eigentlich bei dtv ein und warum? Den Titel hätte ich ruhig vergessen können: Ein Killer in Stockholm .

Richtig Glück gehabt hat diesmal Blanvalet mit David Ramus: Diebe des Lichts.  Mr. Ramus sitzt nämlich zur Zeit im Knast, und das findet man in Medienkreisen knuffig interessant. Vom Kunsthandel versteht er was, damit ist er schließlich pleite gegangen. Und entsprechend gelungen sind die diesbezüglichen Passagen im Buch. Leider fährt er auch ziemlich täppische Yakuzas, Killer & böse Frauen auf, was dem Roman gar nicht gut tut. Dumm gelaufen, das mit dem ganzen Aufwand an Blut & Modder, denn mit einem guten Buch hätte man als prominenter Knacki auch Kohle machen können.

Wofür werden eigentlich Lektoren & -Innen bezahlt? Warum hatte niemand den Mut, Lynda LaPlante klipp und klar zu sagen, daß die Figuren des Romans Zwei Leben hat die Katze  (Goldmann) stark, gut ausgedacht und ungewöhnlich sind. Eine Polizistin, die in ihrem Job durchknallt, Alkoholikerin wird, runterkommt und sich mit Hilfe von genauso merkwürdigen Versagern und -Innen wieder aufrappelt, das ist faszinierend. Daß es aber ganz und gar nicht angeht, den Roman in den USA spielen zu lassen und dabei - Lynda LaPlante ist Engländerin - das englische Polizeisystem einfach für Amerika zu analogisieren. Und daß die verwickelte Plot-Struktur nur stört. Oder hat's keiner gemerkt?

Zum Schluß noch ein gelungenes Märchenbuch: Der Schacht  von Joseph R. Garber (bei Piper). Eine mittlere Führungskraft kommt morgens ins Büro, und der Chef will ihn umbringen, und plötzlich wimmelt es in seinem Büroturm von durchgeknallten Killern. Action pur, völlig bekloppt, Geisterbahn vom Feinsten, aber das wenigstens konsequent. Keine Parabel, keine Moral, nix als Gaudi.

© Thomas Wörtche

 

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