legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 06/1995

 

Es gibt Bücher, die wollen einem derart alberne Geschichten erzählen, daß man weinen möchte. Darunter sind dann ganz, ganz selten welche, die so perfekt gemacht sind, daß man jede Albernheit nachzusehen bereit ist. Relic-Museum der Angst  von Douglas Preston/Lincoln Child (Knaur) ist so ein Fall - unglaublich blöde und unglaublich spannend. Geisterbahn pur, aber mit Witz und Ideen. Aber nur, weil das einmal gutgegangen ist, ist das noch lange kein Persilschein für alberne Geschichten.

Nicht albern, sondern nur enttäuschend, weil ein großes Talent anfängt, lustlose Konfektion hinzuhauen, ist der dritte Teil von Walter Mosleys Chronik von Los Angeles: Der weiße Schmetterling (A.Knaus). Mosley, der aus dem Nichts zum Megaseller wurde, hat der Erfolg gar nicht gutgetan. Natürlich soll er Geld, Glanz und Ruhm haben, wie sie ihm nach zwei originellen Büchern auch zustehen, aber sein Publikum zu enttäuschen, das ist nicht gut. Schau mer mal, der vierte Roman aus dem Zyklus (noch nicht auf deutsch erschienen), heißt "Black Betty" und ist wieder besser.

Immer radikaler wird Liza Cody. Ihr zweiter Roman um die Londoner Killerqueen Eva Wylie, Schwesternkrieg (Goldmann) zeigt den planetenfernen Unterschied zwischen "Frauenkrimi" und guten Büchern von Frauen. Liza Cody zertrümmert mit offensichtlicher Lust und Verve alle verschwitzten und schwurbeligen Konsense, die in bewegten Kreisen so en vogue sind. Die gute, alte Frage, wer wen warum umgebracht hat, ist in Schwesternkrieg nicht mal mehr im Ansatz zu lösen. Gewiß ist nur eins: Gewalt produziert Gewalt. Und Liza Cody hat für den literarischen Umgang damit eine zwingende Perspektive und eine überzeugende Sprache gefunden.

Ein wahrhaft zauberisches Buch ist Walter Satterthwait mit Miss Lizzie (Haffmans) gelungen. Miss Lizzie ist die berühmte Lizzie Borden, die bekanntlich Ende letzten Jahrhunderts ihre Eltern mit der Axt zerlegt hat (oder nicht ?) und eine Kultfigur für diverse Bewegungen geworden ist. Jahre später, so Satterthwait, lebt Lizzie Borden zurückgezogen in einem Küstenkaff in Neuengland. Und dann geschieht ein Axtmord. Weil aber Satterthwait jeglichen schrillen Effekt und jegliches Blutgesudle unterläßt, verwandelt er das Horrorbild von Lizzie Borden in einen sehr spannenden, sehr poetischen, beinahe lyrischen Roman mit Herz und Witz.

Noch ein stiller und genauer Roman mit allerdings peinlichem deutschen Titel: Mariachimelodie von Geoffrey Homes (Ullstein). Im Original heißt das Buch "The Street of the Crying Woman" und ist von 1942. Homes gehört zu den Autoren, die bei uns sang- und klanglos untergegangen sind, weil sich kein anständiger Verlag um ihre anständige Präsentation bemüht hat. Das hat er nicht verdient, denn seine leise Prosa vermag Atmosphäre, Schauplätze und Menschen unspektakulär in Szene zu setzen.

Das können auch die Romane von James McClure, die in den 60ern und 70ern erschienen sind, und im apartheid-zerrütteten Südafrika spielen. Wie widerwärtig dieses System war, springt einen aus jeder Seite seiner grimmig-bissigen Bücher an, obwohl er nie einen direkten Kommentar dazu abgibt. McClure ist ein Autor, der auf hohem Niveau schreibt, sperrig, eckig, aber gnadenlos präzise. Stellvertretend für die drei anderen sei hier der vierte Roman Beichtgeheimnisse (rororo-thriller) gelobt und dringend das Gesamtwerk empfohlen.

© Thomas Wörtche

 

« Leichenberg 05/1995 zurück zum Index Leichenberg 07/1995 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen