legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 07/2008

 

Fettsack

Wie deviant er grinst! Mitten in einem Haufen verwesender Kadaver stehend, blutbesudelt. Er grinst uns direkt an von seinem Buchcover, das ziemlich extrem ist. Extrem bäää, eklig und abstoßend. Und deswegen in diesem Fall sehr lustig. Die schauderhafte Pervertierung der Buddha-Ikonographie gehört zu Fettsack, einem Roman von Rex Miller (Spangberg), den die Edition Phantasia nach eigenen Angaben rekonstruiert und völlig neuübersetzt hat. Die deutsche Fassung von 1987 hatte sowieso nicht stattgefunden, auch wenn der Roman damals bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt war. Der Roman hätte aber auch vermutlich in seiner ganzen blutsprotzenden Pracht nicht stattgefunden, weil er damals unter "Splatterpunk" lief und damit eh nur ein recht limitiertes Publikum angesprochen hat. Dabei ist "Slob" (so der Originaltitel) ein durchaus intelligentes, sogar passagenweise elegant erzähltes Buch - ein Serialkilleroman, der sich unter anderem über Serialkillerromane lustig macht. Und über die ganzen ernsthaft geführten Diskussionen darüber, warum ein Serialkiller wohl serialkillt. Dennoch ist die Geschichte vom Fettsack Daniel "Chaingang" Bunkowski, der nach einer üblen Jugend und seiner Abrichtung zum Killer in der US-Army nach dem Vietnamkrieg einfach nicht aufhört, aus reinem Spaßvergnügen Leute in Fetzen zu reißen, ein richtiger, mieser Serialkillerroman - bevor die Figur allzu sophisticated wurde. Schön eklig eben...

Blutrausch

Dagegen fällt der Ekel-Quotient bei Charlie Hustons neuem Joe-Pitt-Roman Blutrausch (Heyne) ein wenig ab. Ist aber auch okay so, denn die Vampir-Geschichte als Remake der "Gangs-von-New-York" sozusagen, lebt nicht nur vom düsteren Setting und abscheulichen Bluttaten, sondern auch von der Intrige und der Machination um die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft diverser Vampir-Gangs in Manhattan als ob's ein Polit-Thriller aus dem Mafia-Milieu wäre. Ich mag solche hemmungslos hybriden Spielereien...

Das ganz harte Gegenprogramm ist ein Klassiker über Gebietskämpfe und la cosa nostra und über die strukturelle Langweiligkeit des Gangsterdaseins: Gay Taleses Ehre Deinen Vater (Rogner & Bernhard). Es war mir gar nicht so bewusst, dass dieses brillante Stück Journalismus über Salvatore (Bill) Bonanno, der Sohn des "Don" Joseph Bonanno, und also über das Innenleben von la mafia noch nie auf Deutsch erschienen war. Denn vieles, was zum Beispiel das deutsche Feuilleton im Fall des Camorra-Buches von Roberto Savianio ("Gomorrha") hat vor Ahnungslosigkeit verblüfft hyperventilieren lassen, findet sich in diesem Meilenstein von 1971 (!) bestens beobachtet und formuliert. Die Kluft nämlich, zwischen dem Bild von Mafia und der Realität von Mafia. Grundlagenbuch!

Und weil wir gerade bei Grundlagen und Verbrechensräumen und der Verzahnung von Politik und Verbrechen sind - die historische Standardstudie zum Verbrechensraum "Atlantik" mit den Themen Mord, Piraterie, Menschenhandel, Schmuggel und anderen Kulturpraktiken von homo sapiens mehr: Die vielköpfige Hydra. Die verborgene Geschichte des revolutionären Atlantik von Peter Linebaugh & Marcus Rediker, bei der erfreulichen Assoziation A, ohne die wir des öfteren auf solche wahnsinnig spannenden Bücher verzichten müssten.

Ich habe gesündigt

Gerne verzichtet hätte ich auf ein neues Produkt, das das "Tartan Noir"-Label bemüht. "Tartan Noir" ist das nicht geschützte Warenzeichen für Kriminalromane aus Schottland. Klar, dass die Markenpiraterie hier fröhlich zuschlägt. Man nehme Schottland, mindestens einen versoffenen Inspector (hick) und eine bunte Polizeitruppe. Wenn man Ian Rankin ist, geht das mit Edinburgh, wenn man Stuart MacBride ist, geht das mit Aberdeen. Wenn man Caro Ramsay ist, geht es, trotz Glasgow, nicht. Zur aufgesetzten Schottland-Mania gesellen sich bei ihr noch ein religiöser Titel - Ich habe gesündigt (Blanvalet) - »Absolution«, im Original - und die mörderische Geistlichkeit dazu, die natürlich seriell tötet. Jo! Und eine Art tragischer Rosamunde-Pilcher-Geschichte. Herz/Schmerz-Kitsch vom Peinlichsten und Unplausibelsten - kein Wunder, das es für den armen, verwirrt umherirrenden und meistens hackedichten Inspector am Ende eher übel ausgeht. Soviel wird schon mal verraten, auf dass man sich manchen Leseärger sparen kann. Anyway, die neue Formel heißt: Grimmi mit Nackenbeißer-Effekt, auch wenn das Objekt der Begierde schon lange tot ist.
Oh neee ...

 

© Thomas Wörtche, 2008

 

« Leichenberg 06/2008       Index       Leichenberg 08/2008 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen