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Leichenberg 08/1998

 

Damon (eigentlich: Alfred) Runyon war der Geschichtenerzähler des Broadway. In Dutzenden von Short Stories, ohne Imperfekt, Perfekt und Futur, und in einem eigenartig kunstvollen, ganz kunstlos daherkommenden Slang (für Fachleute: In der Erzähltheorie nennt man das "skaz") läßt er die unwahscheinlichsten Typen aus dem New Yorker Nachtleben der 20er und 30er Jahre Revue passieren. Die meisten davon sind Schwere Jungs & leichte Mädchen, aber das erwähnt er mit keinem Wort. Eigentlich verdient Runyon eine Gesamtausgabe, aber wir müssen uns mit einer alten Sammlung aus den 50er Jahren begnügen, die es in Haffmans' neuer, hübsch kartonierter Krimi-Reihe gibt. Die alten Übersetzungen sind noch gut brauchbar, weil sie (zopfig wie sie sind) die bösartig-brutal-komische Gemütlichkeit der Originale sehr schön zeigen. Mehr davon!

Nicht unbedingt mehr muß man von prätentiösen Paco-Ignacio-Taibo-Nachziehern haben. Um einen solchen handelt es sich nämlich bei Alfredo Veás Roman Silver Cloud Café, San Francisco (Rotbuch). Da, wo Taibo es sich erlauben kann, "magisch" zu sein, weil seine Bücher mit präzisem Realismus vollgestopft sind, ist Veá mal lieber gleich "magisch", ohne sich um Realismus zu scheren. Und so sind denn seine Figuren auch nur geschwätzige, an den Haaren herbeigezogene Papiertiger mit New-Age-Einsprengseln. Und das nervt.

Arg nervtötend auch die Hitparaden, Designer-Drogen-Verzeichnisse und innenarchitektonische Ausstellungskataloge, die Nicholas Blincoe aufbietet, um den Zeitgeist von Manchster, Mitte der 90er zu beschreiben. Es mag vielleicht für junge Menschen ganz interessant sein, zu sehen, auf was die Brits damals so abgefahren sind, aber die Romanhandlung, die Blincoe um den ganzen Schnickschnack bastelt, ist so dünn und sowas von öde, unglaubwürdig und blöd, daß sie glatt als Bravo-Fortsetzungsroman durchgehen könnte: Acid Killers (dtv) heißt das Büchlein, das sich, entgegen dem Werbespruch auf dem Cover, vor allem durch völlige Abwesenheit von Komik auszeichnet.

Komik, allerdings unfreiwillige, gibt es satt bei Operation Schneewolf von Glenn Meade (Bastei). Das ist nicht nur ein gewaltig dickes Epos sondern auch ein gewaltig lustiges. Die CIA hat nämlich Stalin ermordet, und wie das, mit Hilfe einer ganzen Reihe alter SS-Kämpen, so vor sich ging, erfahren wir hier. Auf 683 (!) Seiten kann man eben jede, aber auch jede dramaturgische Tölpelnummer abziehen, jedes, aber auch jedes Handlungsklischee liebevoll ausbreiten und endlich, endlich den Kalten Krieg schon ganz früh, nämlich im März 1953, gewinnen. Ein Klassiker des Trash. Und - wer ist dagegen schon John le Carré?

Immer milder wird (proportional zum Erfolg auf dem Markt) - Carl Hiaasen. Deswegen ist sein neues Buch, Die Glücksfee (Manhattan) nur leichte Sommerlektüre. Wie wunderbar gemein und ätzend Hiaasen sein kann (wenn er will), zeigen aber auch hier schöne Passagen aus einem elenden Nest in Florida, dessen Einwohner sich aus wirtschaftlicher Not auf christliche Wunder und resp. Erscheinungen kaprizieren. Apostolische Schildkröten und handgebohrte Stigmata sind zwei Beispiele für unternehmerisches Risiko, das ja auch dem Standort Deutschland gern empfohlen wird. Es wundert mich sowieso, daß noch niemand Hiaasens Methode auf unser Ländle übertragen hat. Denn was er anhand einer "Weiß-Arischen" Mini-Miliz alles an bratzblöder Dummheit vorführt, sitzt und gilt für jede dito Dumpfbacken-Truppe hier.

© Thomas Wörtche

 

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