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Leichenberg 12/1997

 

Robert Daley war in den 70ern stellvertretender Polizeipräsident von New York City. Aus dieser Erfahrung hat er zwei wichtige Bücher gemacht: "The Prince of the City", in dem er die große Korruptionsaffäre um Bob Leuci (der danach ein wirklich wichtiger Schriftsteller geworden ist) beschrieben hat, die Vorlage für Sidney Lumets gleichnamigen (nicht sonderlich gelungenen) Film. Und "The Year of the Dragon", die Vorlage zu Michael Ciminos Streifen. Ein Schriftsteller war Daley nie, seine Prosa ist hölzern, seine sind Dialoge steif und uninspiriert - und seine mehr als 20 anderen Romane sind einfach nur belanglos und schlecht. Deswegen darf man rätseln, warum wir jetzt mit einem wunderlichen Werklein namens Aufruhr in Harlem (Heyne) aus dem Jahr 1993 gequält werden, in dem es keinen Aufruhr gibt. Auch nicht in Harlem, das Daley uns als finstere Verbrecherhöhle wohlig gruselnd vorführt. Ansonsten wird die "Prince of the City"-Thematik widergekäut und gewinnbringend auf Anwalts-Schmöker geschielt. Überflüssig.

Frances Fyfield hingegen kann aus ihrer Kenntnis des britischen Rechtssystems wirklich etwas machen, weil sie schreiben kann. Sie hat das nötige Gespür für interessante, aktuelle Themen und den hinreichend bösen Blick für die bizarren Verwerfungen der Realität und für "echte" Leute, die ihre Romane bevölkern. Dennoch ist Gegen ihren Willen (Hoffmann & Campe) bei allen genannten Vorzügen (und trotz seines Sinn für schräge Komik) ein mißglücktes Buch. Um die durchaus spannende Ausgangskonstellation (Polizist wird der Vergewaltigung angeklagt) in allen möglichen Facetten durchzudeklinieren, muß sie Frauenfiguren erfinden, die sich alle erst mal mit freudiger Hingabe von einem scheusaligen Arzt sexuell belästigen lassen, auf daß alle Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt. Statt dem eklen Doktor ein paar zu verplätten, führen sich alle Ladies auf wie dumme Hühner. Und das lasse ich mir 1997 nicht mehr erzählen. Und wenn's noch so gut gemeint ist.

Freudig begrüßt wird Abe Lieberman, die (relativ) neue Figur von Stuart M. Kaminsky. Man kann Kaminsky nicht nicht mögen - erinnern wir uns an Toby Peters und Inspektor Rostnikow und vor allem an Kaminskys schönen Dialoge für Sergio Leones "Once upon a time in America". Peters und Rostnikow waren bei aller Sympathie ein wenig bieder, Abe Lieberman und sein Kumpan Hanrahan sind das kein bißchen, sondern knallharte Knochen. Detectives in Chicago, mit besten Verbindungen zu allem, was ihren Ordnungsvorstellungen entgegenkommt. Und wenn es durchgeknallte Latino-Gangs sind. Die beiden gefährlichen alten Knaben bewegen sich mit Köpfchen und brachialer Gewalt durch das aberwitzige Gemisch aus Koreanern, Chinesen, Iren, Jidden, Black Muslims und Arabern, Latinos und Katholiken das aus Chicago eine so faszinierende Stadt macht. Liebermans Gesetz (Ullstein) ist ein leiser Roman mit explosiven Pointen. Mehr davon, bitte, aber ein bißchen geschickter übersetzt.

Viel Spaß macht Ben Macintyres wunderbare fiktive Biographie: Der unglaubliche Mr. Worth (Blessing). Ein Verbrecher-Leben, das so geschickt aus echten und fiktiven Quellen zusammenmontiert ist, daß mir als Vergleichsgröße nur Wolfgang Hildesheimers "Marbot" einfällt. Kein Wunder, daß Mr. Worth das Vorbild für Conan Doyles Professor Moriarty abgibt, aber das Buch hat bedeutend mehr Sinndimension als dieser Insider-Joke verspricht. Schade, wenn dieses hochintelligente Buch in der modischen Welle der albernen "historischen Krimis" unterginge.

© Thomas Wörtche

 

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