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Wörtches Crime Watch 01/2007

 

Jost Hindersmann, Hg: Fjorde, Elche, Mörder und
Anne Bubenzer, Hg: Tödliche Bescherung

 

Fjorde, Elche, Mörder Vermutlich ist es genauso sinnvoll, von "skandinavischen Kriminalromanen" zu reden wie von "lateinamerikanischen Kriminalromanen" oder von "europäischer Küche". Aber das stört die Faktenlage nicht. Krimis aus Skandinavien boomen seit einem Jahrzehnt. Der Frage, warum das so ist, möchte ein Bändchen aus der "KrimiKritik"-Reihe des tapferen NordPark Verlags nachgehen. Und so hat Herausgeber Jost Hindersmann in "Fjorde, Elche, Mörder. Der skandinavische Kriminalroman" nach Gründen fahnden lassen. Verzweifelt fahnden, möchte man fast sagen. Denn was zum Beispiel eine Alexandra Hagenguth ernsthafterweise unter dem Titel: "Der Mord, der aus der Kälte kam. Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich?" an Thesen anbietet, ist ziemlich flächendeckend ahnunglos: Der skandinavische Krimi sei hochpolitisch - und die Franzosen, die Mexikaner? Er habe einen besonderen "internationalen Bezug" - den haben seit John Buchan über Eric Ambler zu Ross Thomas und John le Carré keine anderen Autoren allüberall auf der Welt? Er sei "modern" wegen seiner "schnellen Schnitte" und seiner "flotten Sprache" - seit Hammett in der Tat ein originelles Kriterium. Er sei zudem feministisch stark akzentuiert - so wie Sara Paretzky und die Gründergeneration der Sisters-in-Crime vor einem Vierteljahrhundert? Außerdem verfahre er psychologisierend - wie der Californian noir der 30er Jahre? Mehr und noch absurdere Beispiele aus der Abteilung "plapperndes Marketing" erspare ich uns, man kann das ganze, ansonsten historisch und philologisch sehr nützliche Bändchen durchstöbern, ohne auf ein einziges wirklich trennscharfes Kriterium zu stossen. Und etwas, das mir noch am Rande einfällt, fehlt natürlich gänzlich: Die geschickte Übersetzungsförderungspolitik mancher skandinavischer Staaten, die das Verlegerrisiko entscheidend minimieren.

Versuchen wir's anders. Jahreszeitlich angepaßt, vermutlich weil der alte Morden-am-Fest-der-Liebe-Gegensatz immer noch artig funktioniert, prasseln jetzt die entsprechenden Weihnachts-Krimi-Anthologien auf uns nieder. Zum Beispiel "Tödliche Bescherung. Die spannendsten Weihnachtskrimis aus Skandinavien". Und in der Tat, nach der Lektüre von zwölf Kurzgeschichten bekommt man so allmählich eine Ahnung, was denn den "skandinavischen Krimi" so beliebt machen könnte: Ein herzerwärmender, kuscheliger, keine Sekunde verstörender Biedersinn.

Tödliche Bescherung Das Märchen von den drei vatermörderischen Schwestern, das uns Hrafnhildur Vlagardóttir aus Island erzählt, die durchsichtige Story vom versehentlich erschlagenen Weihnachtsmann von Helen Tursten, Inger Frimanssons Rachefantasie "Prost und frohes Fest", haben allesamt das Niveau von Kurz-Krimis für die "Bäckerblume", zeichnen sich durch Abwesenheit irgendeiner spürbaren Literarizität aus und sind so überraschend wie das Ende einer Pilcher-Verfilmung.

Ähnlich fast unfaßbar bieder eine Wallander-Erzählung von Henning Mankell, deren Notwendigkeit kaum einzusehen ist. Interessant ist, dass Mankell es selbst im kurzen Format fertig bringt, die Zeitstruktur des Textes zu vermasseln.

Da ist man dann schon fast dankbar für einen leicht spökenkiekerischen Text von Åke Edwardson, der zumindest ein bisschen am Millimeterpapier der Gewißheiten über die Welt kratzt, bevor einem ein Derrick-haftes Teil von Leena Lehtolainen wieder in die schiere Verzweiflung stürzt: Hochbetroffen - Kinderpornographie - und dann am Ende doch alles nicht so schlimm, o weh.

Als Aufmerker des Buches aber dient eine kurze Erzählung von Knud Hamsun - der gescheiterte Versuch eines Epikers, auf Pointe zu schreiben, und deswegen in der Reihe der schlichten bis ganz schlichten Text hier bestens platziert.

Fazit: Eine Aussage über "den skandinavischen Weihnachtskrimi" kann ich leider anhand dieser Anthologie nicht treffen. Und eine über "den skandinavischen Krimi" an und für sich auch nicht, zumal eine Reihe von "Namen" fehlen - Håkan Nesser etwa oder Arne Dahl. Vielleicht schreiben die keine Weihnachtskrimis und fühlen sich auch geo-literarisch rubriziert nicht besonders wohl.

Aber ja doch, solche Bändchen haben schon ihren Sinn: Man kann sie beruhigt der herzschwachen Verwandtschaft schenken. In diesem Sinn: Besinnliche Weihnachten!

Jost Hindersmann, Hg: Fjorde, Elche, Mörder. Der skandinavische Kriminalroman. Wuppertal: NordPark Verlag, 2006. 316 Seiten, 22.00 Euro (D).

Anne Bubenzer, Hg: Tödliche Bescherung. Die spannendsten Weihnachtskrimis aus Skandinavien. Reinbek bei Hamburg: Wunderlich, 2006. 271 Seiten, 14,90 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2006

 

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