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Der nette Mafioso von nebenan

Frankie Machianno ist ein netter älterer Herr aus San Diego, Kalifornien, der einen Angelladen und einen Wäscheservice für Hotels betreibt. Doch seine Vergangenheit als eiskalter Killer der Cosa Nostra holt Machianno ein, und er muss wieder das tun, wofür er früher gefürchtet war: seine Gegner töten.

Von Thomas Wörtche

 

Frankie Machine

Frankie Machianno hat gut zu tun in San Diego. Er muss seinen Angelladen auf dem Ocean Beach Pier in Schuss halten und seine Stammkunden und Freunde bei Laune. Er muss sich um seinen Wäscheservice für Restaurants kümmern und um seinen Fischhandel auch. Mit seiner Ex-Frau kommt er gut aus, mit seiner Geliebten auch und seine Tochter ist sein Sonnenschein. Frank ist 62 und lebt ein zufriedenes Leben.

Dieses Leben schildert uns Don Winslows Roman »Frankie Machine« in aller Ausführlichkeit, fast fünfzig Seiten lang, bis uns vor so viel Nettigkeit und heiler Welt fast übel wird. Denn uns schwant, dass dieser langsame Anfang eben nur der Anfang einer ganz anderen Geschichte ist. Denn Machianno ist auch Frankie Machine, ein äußerst effizienter und kaltblütiger Mafia-Killer. Schon beinahe im Ruhestand - aber Mafiosi gehen nicht einfach in Pension. Ein alter Konflikt bricht auf und Frank muss wieder das tun, was er am besten kann, wenn er eine Überlebenschance haben will: Leute umbringen.

Winslows Roman ist gnadenlos parteiisch. Wir mögen Frankie, wir wollen, dass er durchkommt und wir würden uns sogar mit einem würdigen Abgang begnügen. Winslow inzeniert den Abgesang auf die alte Mafia-Herrlichkeit mit präziser Lakonie. Sein beläufiger Umgang mit Gewalt ("Mike schoss ihm dreimal ins Gesicht") ist entschieden wirkungsvoller als einlässliche Schilderungen von Gemetzel und Geschlachte. Gewalt gehört zu den ganz normalen "Umgangsformen" einer Gesellschaft, in der auch der Mafia-Killer ganz normal lebt.

Und nebenbei zeichnet Winslow den Niedergang der klassischen Cosa Nostra nach, die sich wie ein taumelnder Industriekonzern, in undurchsichtige Kompetenzen, Partialinteressen und verfehlter Produktpolitik verheddert (immer noch Sex und Drogen statt politisch geschickt eingesetzt Macht) und von der Konkurrenz und dem FBI gejagt, gehetzt und instrumentalisiert wird. In klugen Rückblenden erleben wir diesen Niedergang seit den 1960er Jahren mit, als die Macht der italienischen Familien mit dem Wahlsieg von John F. Kennedy auf dem Höhepunkt war und dann allmählich bröckelte.

In den Focus rückt bei Winslow - anders als bei vielen seiner Kollegen, die sich seit dem »Paten« um die Ostküste, Miami und Chicago filmisch und literarisch gekümmert haben - die Westküstenmafia. Die gab es, seit Hollywood anfing, gewinnträchtig zu werden und seit die mexikanische Grenze als Importschleuse für Drogen interessant wurde. Aber so richtig als Stoff für populäre Mythen erschließt sich diese Szenerie erst seit Winslows wunderbarem Buch.

Eine Verfilmung von »Frankie Machine« so heißt es, steht an. Natürlich kann diese Rolle nur Robert de Niro spielen, der im August 67 Jahre alt wird. Beinahe so alt wie Frankie Machine heute wäre (das Original stammt aus dem Jahr 2006).

 

Don Winslow: Frankie Machine. (The Winter of Frankie Machine, 2006). Roman. Aus dem Amerikanischen von Chris Hirte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009, 365 S., 8.95 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2010
(Deutschlandradio Kultur,
19.01.2010
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Don Winslows Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/987163/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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