kaliber .38 - krimis im internet

 

 

Fröhliches Gemetzel in Höhenlagen

Über Jörg Juretzka und seinen Roman »Fallera«

 

Fallera Wahrlich, ein schräger Haufen, der dort mit pfeifenden Lungenflügeln die Schweizer Alpen erklimmt: bei der Truppe handelt es sich nicht um wadengestählte, rotbäckige Wandersleut', sondern um eine zum Zwecke der Resozialisierung zusammengewürfelte bunte Schar von Behinderten und ausgewählten Strafgefangenen. Die Knackies, so das pädagogische Kalkül des bizarren Projekts, sollen sich ersatzweise an den Behinderten mit den Opfern ihrer Schandtaten versöhnen. Die Behinderten wiederum sollen erfahren, dass sie "auch vor ungewöhnlichen Aufgabenstellungen nicht zu kapitulierrren brrrauchen", wie ein Minister im rhetorischen Rausch der Gruppe mit auf die Reise gibt.

Mittenmang in diesem "Panoptikum von Wackelköpfen" quält sich ein guter alter Bekannter die Hänge hinauf: Kristof Kryszinski, Privatdetektiv aus Mülheim an der Ruhr. Nach monatelangen Pillen-Exzessen ist Kryszinski kaum fitter als "ein Krebskranker" und vermag in seiner rauschvernebelten Birne nur selten zwischen Realität und Traum zu unterscheiden. Doch hat - wie Kryszinskis Busenfreund Hauptkommissar Menden zu berichten weiß - die Leitung des Projeks "speziell und namentlich und ausdrücklich" nach seinen Diensten verlangt: Als Strafgefangener getarnt soll der Ruhrpott-Detektiv ein Auge auf die Knackies in der Truppe werfen.

Krysziniski undercover. Kaum ist der erste Hügel erklommen, steckt er schon tief in der Bredouille: Der zünftige Bergführer Toni liegt erschlagen im Gras. Vom Frühtau benetzt, fallera. Der Verdacht fällt auf den Ruhrpott-Knappen, denn der wirtke von Anbeginn an "völlig verstrahlt", und obendrein wurde er in der Nacht vor dem Leichenfund bei einem einsamen Spaziergang durchs Camp erwischt. Kryszinskis Unschuldsbeteuerung, der von der Projektleitung angeordnete Entzug seiner Schlafpillen verursache bei ihm Schlafwandel, stoßen auf eher verhaltene Resonanz.

Das jähe Ableben des Alpen-Mannes ist die Ouvertüre zu einem vergnüglichen Gemetzel in Höhenlagen, das die Gruppe dramatisch dezimiert. Hinter jedem Felsvorsprung lauern Mord und Totschlag, hinter jeder Wegbiegung Verrat. Der Alm-Trip entpuppt sich als ein perfides Spiel, in dem die Verlierer von vornherein gesetzt sind. Doch am Busen der Natur offenbaren sich nicht nur die finstersten Seiten: Kristof macht sich "würgende Sorgen" um die ihm Anvertrauten und formiert aus seinen Behinderten eine "Armee der Vedammten". In einer alten Goldmine, im "dunklen Gedärm des Berges", führt er seine Gurkentruppe in einen rasantan Showdown.

Jörg Juretzka ist mit »Fallera«, seinem vierten Roman mit Kristof Kryszinski, einmal mehr ein actionreicher und rundum fröhlicher Text gelungen. Das Buch ist garantiert politisch inkorrekt und von bezaubernder Warmherzigkeit. Den Ortswechsel übersteht Juretzkas Ruhrpott-Figur ohne den geringsten Kratzer in ihrer Glaubwürdigkeit. Wo Kryszinski wohl sein nächstes Abenteuer erleben wird - vielleicht als Anti-Taliban-Kämpfer in den unwirtlichen Bergen Afghanistans?

© j.c.schmidt, 2002

 

Jörg Juretzka: Fallera. Originalausgabe. Hamburg: Rotbuch Verlag, 2002, Rotbuch Krimi 1125, 190 S., 8.90 Euro (D)

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen