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Das Crescendo der Waffen

 

Schlachtmusik Barock ist herzlos. Es liegt also nahe, einen Unterweltroman als barocke Oper zu inszenieren. Daß das vortrefflich gelingen kann, beweist der Engländer Russel James mit seiner "Schlachtmusik".

Dem alternden Gangsterboß Alexander Stanley Kazan schwimmen die Felle davon. Das Erschließungsprojekt auf der "Isle of Dogs" ist ins Stocken geraten. Der unliebsame Konkurrent Clive Darren drängt auf und den Gangsterpaten Kazan von der Insel. Nicht einmal auf die Subordinierten ist noch Verlaß: Der mit erklecklichen Summen geschmierte Gutachter Pritchett, der Kazans Stellung im Geschäft sichern soll, mauschelt gleichzeitig mit Darrens Leuten.

Hundstage auf der Hundsinsel, wenn Sie so wollen.

Der Einzige, dem Alexander Kazan noch vertraut, ist sein junger Killer-Azubi Tim Hawk, den Kazan als Jugendlichen von der Straße holte. Hawk hat mit seinen blonden Locken und dem blassen Teint das Antlitz eines Engels; er liebt barocke Opern und tötet, ohne seinen Opfern weh zu tun. Ein filigraner Mann fürs Grobe...

Während Kazan auf Hochzeitsreise in der Ukraine weilt, nimmt Hawk sich der Probleme im heimischen London an und beseitigt Darren: "Sehen Sie, es hat doch wirklich nicht weh getan." Die Leiche des Konkurrenten präsentiert Hawk seinem Ziehvater in einer operettenhaften Inszenierung beim Hochzeitsbankett im Kreise der Familie.

Doch der Druck lastet weiter bleischwer auf Kazans Schultern. Andere drängen ebenfalls auf die "Isle of Dogs". Seit seiner Hochzeit ohnehin als Weichei verschrieen, traut ihm kaum jemand den Mumm zu, das Geschäft wieder in den eisenharten Griff zu bekommen. Kazans Gangster-Imperium zerfällt, die ersten Getreuen laufen über. Das Crescendo der Waffen übertönt schließlich die Böller in der Guy-Fawkes-Nacht.

Russel James "Schlachtmusik" ist eine eigenwillige Gangsterballade in kristallklarer Prosa. Er inszeniert den klassischen Stoff um Loyalität und Gewalt als operettenhafte Tragödie, ohne sich in affektierten Manierismen zu verlieren: Trotz der ungewohnten Perspektive agieren die Figuren jederzeit glaubwürdig. Auch der Humor kommt nicht zu kurz: Kazans junge ukrainische Frau Irena etwa besteht darauf, mit des Gatten Schlägern und Killern Teestunde mit Biskuits und Zitronenröllchen zu halten.

Barock ist herzlos. Russel James versteht es dennoch, auch mit unterkühlter Prosa zu bewegen:

Laß' mich zum Kampf
und wär's mein Verderben
Wenn Schönheit der Preis
Wer fürchtet zu sterben?

 

© j.c.schmidt, 2000

 

Russel James: Schlachtmusik. (Slaughtermusic, 1994). Aus dem Englischen übersetzt von Gerhard Falkner und Nora Matocza. Köln: DuMont 1999 (DuMont Noir 19), 392 S., 19.90 DM

 

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