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Leichenberg 01/2012

 

Outlaw

Neben Fantastrillionen nutzloser Serienfiguren, die die Kriminalliteratur immer mehr verstopfen, gibt es auch ein paar sinnvolle, auf Serie angelegte Projekte. Dazu gehören die großartigen Jack-Reacher-Romane von Lee Child. Nummer elf ist gerade auf Deutsch erschienen: Outlaw (Blanvalet). Wie so oft ist der O-Titel »Nothing to lose« treffender, denn der durchs Land vagabundierende Ex-Militärpolizist mit der auf- und abgeklärten Vigilantenmentalität hat nicht viel zu verlieren. Die zusammenklappbare Zahnbürste und immer weniger Geld auf dem Konto sind seine irdischen Habseligkeiten. In der weiten Prärielandschaft von Colorado, in einem Kaff namens Despair, stößt er nicht auf himmelschreiendes Unrecht, das er wie meistens, bekämpfen könnte, sondern man mag ihn dort nicht. Man schubst ihn raus, ins Nachbarkaff Hope und von dort aus fängt Reacher an, sich für Despair, eine seltsame Metallaufbereitungsanlage und Menschen mit bleierner Gesichtsfarbe zu interessieren. Bemerkenswert an dem ruhigen, eisig erzählten Buch ist die Demontage der Figur Reacher, der immer mehr herunterkommt, und die fahle Atmosphäre, die Child meisterlich zu schaffen weiß - gespenstisch starr, Zombie-Ambiente als Parameter einer unguten gesellschaftlichen Stimmungslage. Natürlich ist auch dieser beinahe gewaltfreie (naja) Roman ein politisches Statement über die Legalität und Illegalität von Gewalt, egal auf welcher Mikro- oder Makroebene.

Das Labyrinth von Ragusa

Fast wie ein Italowestern beginnt Gisbert Haefs' neuer historischer Polit-Thriller Das Labyrinth von Ragusa (Page & Turner). In einem Kaff an der kroatischen Küste sitzt Jakob Spengler (Haefs-Lesern bekannt aus »Die Rache des Kaisers«), Spion im Dienste Venedigs, der die politische Gesamtlage in den Schluchten des Balkans im Jahr 1538 einschätzen soll. Spengler wartet, so dürfen wir denken, auf seinen Tod und räsoniert über die Poetik spannender Literatur und ähnlich abstrakte Dinge, was dazu dient, die Spannung zu steigern. Natürlich gibt es dann jede Menge Action, Verrat, Ehrlosigkeit, Hass und Gewalt, Solidarität und Liebe, die conditio humana rauf und runter. Und die Haefs'sche Spezialität, die ihn sternenhoch von dem üblichen historischen Quark unterscheidet: Der Sinn für die Spezifik der Zeit, geschichtswissenschaftlicher state of the art, ohne didaktisch zu werden. So mag es in der Renaissance gerochen haben, so waren die Rhythmen, so funktionierte Politik. Daneben vergnügliche Scherze wie eine Spion-Wohngemeinschaft und die Geschichte des Mohren Otero und seiner Desdamia, die dann später ein anderer nochmal leicht variiert erzählt hat.

Todestag

Sehr literarisch auch der letzte Teil der hübschen Forsythe-Trilogie von Adrian McKinty: Todestag (Suhrkamp). Auch hier vermasselt der deutsche Titel die Pointe - das Buch heißt »Bloomsday Dead« und ist eine Hommage an den 16. Juni 1904, an dem der »Ulysses« von James Joyce spielt. Selbst die Kapitel tragen die Namen der entsprechenden Ulysses-Kapitel, auch wenn der Roman - irische Scherze - nur zu geringeren Teilen in Dublin und ansonsten in Belfast angesiedelt ist. Der belesene Gangster Michael Forsythe muss ein letztes Mal aufräumen und das tut er wie immer sehr robust. Man möchte fast sagen: Ultrabrutal. Das irgendwie Rührende an McKintys Kunstfigur ist ihre reine Herkunft aus Literatur. Gewollt oder ungewollt - der Gestus des Autors, richtig harte Gangsterliteratur für die gebildeten Schichten zu schreiben, führt zu kreuzkomischen Vorstellungen, wie etwa dass ein abgeschossener Finger wie mit dem Skalpell abgeschnitten völlig intakt durch die Gegend fliegen könnte. Süß...

Verleumdung

Miese Qualität ist kein Alleinstellungsmerkmal doofer Regio-Grimmis. Schrott gibt es international auf großen Halden. Warum man ihn übersetzen muss, ist das Geheimnis maßstabloser Programme. Immerhin gibt man sich keine Mühe: in Verleumdung von Benni Bødker & Karen Vad Bruun (Ullstein) stimmt gar nichts. Weder hat der Titel etwas mit dem Buch zu tun, noch der Klappentext, aber das ist bei der dilettantischen Forensik-Schmonzette, aufgemotzt mit ein bisschen Kunst-Raub aus dem Irak, auch egal. Eine Hosenanzugsträgerin rückt die Strumpfnähte zurecht, jemand der "erschossen" wurde, schleppt sich durch die Gegend, und wenn von "Malereien" die Rede ist, sind Gemälde gemeint. Klar, Dänemark, Kommissarin Lund, Einschaltquote... meine Güte.

Zweite Schrott-Kombi: Polit-Thriller-Anmutung - irgendwas mit Kaukasus und Russen und Zeugs - plus sadistischer Serialkiller im "Saw"-Format ergibt Gehetzt von Sean Creed (Bastei), deutlich ein Fall von Geht's-noch? Ein erzählökomomisches Debakel, zwei Handlungsstränge, die nicht zusammenpassen und ein klebriges Vater-Tochter-Ding. Wer braucht denn so was?

Zur Aufheiterung empfohlen: Blutprinzessin, ein Comic von Max Cabanes und Doug Headline nach dem gleichnamigen Romanfragment von Jean-Patrick Manchette (s & l noir) - ein Polit-Thriller in vielen intelligenten Bildern.

 

© Thomas Wörtche, 2012

 

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