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Leichenberg 12/2011

 

Payback

Südafrika zeigt sich immer mehr als Nährboden für großartige Kriminalliteratur. Nach Andrew Brown, Deon Meyer und Malla Nunn gibt es jetzt endlich auch bei uns Mike Nicol zu lesen. Den Auftakt macht Payback (btb), der erste Teil einer Trilogie über das "neue Südafrika" ab Ende der 1990er Jahre. Es geht um zwei ehemalige Waffenschmuggler, die die Anti-Apartheidskräfte mit Kriegsgerät versorgt hatten und bürgerlich werden wollen. Sie haben eine Art Security-Firma für superreiche, internationale Kundschaft, die Plastische Chirurgie und Safari-Reisen am Kap miteinander verbinden. Aber die Vergangenheit zwingt die beiden Hauptfiguren wieder zurück ins alte Geschäft. Die Parameter allerdings haben sich geändert, auch wenn Figuren wieder auftauchen, die längst Geschichte sein sollten. Vor allem starke Frauen. Wie überhaupt der Roman entschieden von sehr starken Frauenfiguren lebt. Eine CIA-Agentin (oder Ex-CIA-Agentin? Man weiß es nicht...), die zum Organisierten Verbrechen gehört; eine Anwältin, die für einen radikal-islamistischen Kreuzzug gegen Dekadenz, Drogen und westlichen Lebensstil arbeitet, die vermutlich coolste Schurkin (oder?), die in den letzten Jahren zu Literatur geworden ist. Und eine wunderschöne Künstlerin aus Mali, die mit Mace Bishop, einem der Protagonisten verheiratet ist. Dazu kommen grandiose kleine Porträts, wie zum Beispiel das des netten angolanischen Verkehrsministers, ein großer Whiskey-Spezialist, der schon mal Gegner in Fetzen schießt und ähnliche Typen mehr. Die Gangart bei Nicols ist härter als bei Deon Meyer oder Andrew Brown, aber er tischt bei weitem keine doofen Schlachteplatten auf wie etwa Roger Smith. Komplex ist der Roman sowieso, überraschend, von großer politischer Klarsicht, voller lakonischer Dialoge, schöner Abschweifungen und einer Weltsicht, die erfreulich sophisticated ist.

Kleine Biester

Sehr erfreulich auch Rob Alefs dritter Kriminalroman Kleine Biester (Rotbuch). So wie es Donald Westlakes »Der Freisteller« im Prinzip vorexerziert hat - Wegräumen von Karrierehindernissen durch durchdachtes Morden -, überträgt Rob Alef dieses schöne Verfahren auf die Schulsituation in Berlin/Deutschland. Irgendjemand bringt Kinder um, die auf der Warteliste eines schicken Gymnasiums mit beruflich blendenden Perspektiven stehen. Kindsmord, das macht man eigentlich nicht in komischen Romanen - und daraus saugt »Kleine Biester« Honig. Satire, Realität und ein bisschen Horror-Schock im B-Movie-Modus der 1950er Jahre (Insekten, sehr große!) sorgen dafür, dass man sich nicht zu wohl in einer Lesart einrichten kann. Die Welt ist gewalttätig, verrückt und komisch - und so ist dieser Roman, alles gleichzeitig.

Freudiges Morden auch im Debut-Roman von Gregory Smith: Aus der Spur (Heyne). Man kann es verstehen: Ein Autoverkäufer im "Dienstleistungsparadies" USA, der von seiner Kundschaft aufs Blut gereizt und gedemütigt wird, schlägt zurück und hat dadurch endlich Spaß an der Arbeit. Dazu noch ein leicht schräger chinesisch-stämmiger Detektiv mit wunderlichem Familien-Clan und ein privatisierendes Profiler-Genie - ergibt einen leichtfüßigen, unterhaltsamen und intelligenten Kriminalroman ohne große Ambitionen. Einfach eine abgefahrene Geschichte aus dem täglichen Wahnsinn - und der ist ja prototypisch, auch wenn die Story in Delaware spielt.

Der achte Zwerg

In Deutschland spielt Der achte Zwerg von Ross Thomas, dem neunten Band der Werkausgabe im Alexander Verlag. Die alte Fassung hatte den dämlichen Titel »Vierzig Riesen für den Zwerg« und war auch ansonsten ein Wrack. Die sieben Zwerge gehören ins Märchen, Der achte Zwerg in die Realität der Nachkriegszeit, als die Geheimdienste der verschiedenen Besatzungszonen sich schon lange nicht mehr grün sind und alte Nazis zu neuen Verbündeten werden, der Schwarzmarkt blüht und Überleben auch eine Intelligenzfrage ist. Das Ganze in eine elegante Geschichte gepackt, mit einem selbst für Ross Thomas bemerkenswert frostigen Ende - einfach große Klasse, Weltliteratur. Ross Thomas war 1976 schon viel besser als 80% seiner KollegInnen heute. Milde geschätzt.

Noch ein schönes Bilderbuch: Die Mafia. Treue bis zum Tod von Marco Gasparini (Bucher). Eine grandiose Fotosammlung von teilweise unbekannten Bildern (nebst Dokumenten) zum Thema Mafia und Cosa Nostra, mit Ausflügen zu Yakuza, Triaden und Filmen. Die Texte von Gasparini sind ganz okay, aber der Schauwert des ganzen Projektes ist schon sehr erheblich und beeindruckend.

 

© Thomas Wörtche, 2011

 

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