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Leichenberg 01/1999

 

Solange noch Donna Leon durch die Bestsellerlisten geistert (nicht mehr lange, der Absturz hat begonnen), werde ich nicht aufhören, auf Magdalen Nabb hinzuweisen. Denn warum soll man den Klon nehmen, wenn man das ohnehin bessere Original haben kann? Tod eines Holländers  (Diogenes) von 1982 ist der zweite Roman über den Maresciallo Guarnaccia aus Sizilien, der in Florenz Dienst tun und sich dort mit dem ganz gewöhnlichen Alltag balgen muß. Mit schwatzhaften Greisinnen und dünkelhaften Vorgesetzten und grünschnäbeligen & hysterischen Kollegen. Aber plötzlich wird's sehr unangenehm ... Nabb ist eine präzise Beobachterin von Menschen und deswegen an den touristischen Aspekten von Florenz nicht so interessiert. Glücklicherweise.

Glücklich laufen kann manchmal die Kombination von Krimi und SF. So in Das Mord-Paradigma  von Peter F. Hamilton (Bastei). Die Vorzüge liegen entschieden nicht im Auspinseln einer näheren Zukunft (im Gegenteil: Das England nach der Erderwärmung, das uns Hamilton präsentiert, ist bieder und naiv gezeichnet), sondern in der Dynamik, mit der Spannung auf- und ab- und aufgebaut wird. Das ist höchst unterhaltsam.

Unterhaltsam auch zu beobachten, was die Zeit mit Champion Jack Barron  von Norman Spinrad (Heyne) gemacht hat. 1968 hatte der Roman über einen freakigen TV-Moderator, der sich in die Politik mischt und das ganz, ganz große Rad drehen will, noch Wellen geschlagen und nette Eklats ausgelöst. Heute kann man Spinrads Talent zur Hochrechnung von Trends (Mediokratie, Reagan als Präsident) be- und sich darüber wundern, daß jemand, der so bissig mit den Mächtigen der Welt umgeht, ein so steinzeitliches Verständnis von Geschlechterrollen haben kann. Aber als lustiger, schlampiger, bunter Polit-Thriller funktioniert der Reißer schon noch.

Ganz und gar nicht funktioniert hingegen die Kombination von Krimi und Vampir-Roman. Genau das soll nämlich das neueste Abenteuer des Rächers der Mühseligen und Beladenen sein: Michel Chevron hat mit Pulp und das Blut der anderen  (Wunderlich) sowas von danebengelangt. Das Heftchen taumelt zwischen realistischem, phantastischem und symbolischem Erzählen so schlapp hin und her, daß der Säulenheilige des Romans, Kafka, ganz schnell und betrübt den Gregor gemacht hätte.

Weil wir gerade bei Mischformen sind: Tod des schwarzen Bären  von Michael McGarrity (Knaur) spielt - wer hätte das bei dem deutschen Titel gedacht (O-Titel: "Mexican Hat")? - im Südwesten der USA und kommt ohne folkloristischen Fidelwipp aus. Der klassische Western (Väter & Söhne, der Loner) funktioniert auch als Kriminalroman vorzüglich und gibt den Genrehistorikern recht, die den amerikanischen Großstadtkrimi direkt auf den Western beziehen. Der Thriller kehrt sozusagen zurück aufs Land - und das ist ein Trend (Lansdale etc.) den man durchaus begrüßen kann.

Aufs Land, nach Nota Lake und in trübe Motels muß auch notgedrungen Kinsey Milhone in Sue Graftons "N"-Buch ("N is for Noose", um den Überblick zu behalten). Kopf in der Schlinge  (Goldmann) ist so solide wie das sprichwörtliche tüchtige Stück Rindfleisch und ungefähr genauso aufregend. In der aktuellen Ausgabe der Wiener Literaturzeitschrift WESPENNEST überlegte gerade Robert M. Eversz (Shooting Elvis), wie tröstlich es sei, daß Sue Grafton nicht nach dem tschechischen Alphabet schreiben muß. Das hat 32 Buchstaben. Aber immerhin: Bei "N" noch keinen Totalabsturz produziert zu haben, ist auch schon was.

© Thomas Wörtche

 

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