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Leichenberg 02/1999

 

Tempelhof Airport 1980. Auf dem internationalen Flughafen, von dem aus die Berliner zu Fernflügen aufbrechen, irrt ein Mädchen durch ein Hauptterminal ... So hebt Deborah Cavanaughs Roman Neeleys letzter Auftrag  (Knaur) an. Dumm gelaufen, denn warum soll ich einem Buch eine Sekunde lang irgendwas glauben, das den für den zivilen Luftverkehr gesperrten damaligen US Air Force Flughafen Tempelhof für ein internationales Luftkreuz hält? Das ist genau so dumpf wie die darauf folgende Geschichte von der Profikillerin und ihrer Amateurfreundin, die ganze Kompanien finsterer Gestalten wegblasen. Weibliche Omnipotenzphantasien sind ja völlig okay, aber müssen Frauen unbedingt beweisen, daß sie genauso schlechte Bücher schreiben wie die Kerle?

Einen hübschen Neologismus verdanken wir DuMont: Den Literaturthriller. Gemeint ist damit Der grüne Leguan  von Carlo Lucarelli. Auch dumm gelaufen - denn Lucarelli verschenkt erkleckliches literarisches Können und ein paar schöne Ideen an ein auch 1997 schon abgelabbertes Thema: den Serialkiller. Nur ein blinder junger Mann kann die Stimme eines Mörders erkennen, eine junge Polizistin arbeitet mit ihm zusammen, notfalls auch gegen ihre Kollegen. Das funktioniert gut. Dito die sensible Inszenierung der Innenwelten der beiden Figuren, dito der in der Tat erstaunliche Schlußgag. Aber es stört halt der 1000ste Versuch, den Serialkiller mit erlesenem Seelenleben zu veredeln. Der giebt diesmal, symbollisch, symbollisch, das Reptil.

Hochinteressant ein Roman aus Rußland: Auf fremdem Terrain. Anastasijas erster Fall  von Alexandra Marinina (Argon). Interessant aus drei Gründen: Die Hauptfigur Nastja Kamenskaja ist eine recht kantige, clever komponierte Figur. Eine scharfe Denkerin und bei Bedarf ein scharfes Luder. Zweitens: Die Darstellung einer "Mafia" als Ordnungsmacht und Garant von Wohlstand und Sitte ist hochplausibel. Drittens: Der pure Nationalismus resp. Rassismus der Autorin schlägt voll durch. So lobt Kamenskaja ausdrücklich das erfreuliche soziale Klima, das im Mafiastädtchen herrscht und daher kommt, daß keine Aserbeidschaner, Tetschenen und ähnliches Gelichter zu sehen sind. Gibt es jetzt schon eine "Edition Stoiber"? Noch eine Anmerkung: Unsere stramme Heldin übersetzt die ganze Zeit ein Buch eines gewissen "Ed Macbaine". Kein Druckfehler, er heißt im ganzen Buch so, und das sagt uns zusätzlich alles über die Kompetenz des Verlages, "Kriminalromane" zu verlegen.

Ein abgedrehtes Stückchen hat Ullstein ausgegraben: Die Lebenden und die Toten  von Zachary Klein. Der Roman ist zwar schon aus dem Jahr 1990, aber noch gut erhalten. Die unbehaglichen Abenteuer des begeisterten Drug-Users, Kettenrauchers und Fehlernährers Matt Jacob aus Boston, der wider Willen Privatdetektiv wird und sich mit einem wunderlichen Assortiment von anderweitig Gestörten (Psychiater) mittels seines scharfen Mundwerks rumprügeln muß, sind feiner Lesestoff.

Das Schwergewicht des Monats ist Michael Connellys neuer Harry-Bosch-Roman Das Comeback  (Heyne). Der feinziselierte Plot ist grandios, die Darstellung des korrupten Polizeialltags im LAPD ätzend, der skeptische Blick auf die Dinge, und wie sie wirklich sein können, von kreativster Paranoia. Zum Barmen ist allerdings die Übersetzung, die glücklicherweise die intelligente Story von Boschs sturer Aufklärungsarbeit zwischen Mafia, FBI, LAPD und dem Wahnsinn von Tinseltown und Las Vegas nicht kaputtkriegt. Man soll mit Superlativen vorsichtig sein, aber Connelly ist ein sehr schweres Kaliber.

© Thomas Wörtche

 

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