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Leichenberg 04/1997

 

Ach ja, so sind sie, diese Supermegagigaterroristen: Drei Viertel eines Romans schauerlich effektiv, morden sie mal links, mal rechts und ad libitum, aber im letzten Viertel stellen sie sich krötenblöd an und werden folgerichtig von ihren Gegenspielern allerlei Geschlechts spielend leicht hoppgenommen. Wozu also, fragt man sich auch bei Joseph Finder: Die Stunde des Zorns (Blanvalet) DM 44,80 ausgeben, wenn man sowieso weiß, daß auch diesmal der Supergigamegaweltwirtschaftscomputer nicht in die Luft fliegen wird? Daß schicke Computer auch schluchzigen, herzzerreißenden Märchen mit tränentriefendem Happy End nicht entgegenstehen, zeigt Remote Control von John McLaren (Heyne), ein gar nicht unsympathisches Buch aus der Abteilung "Gartenlaube goes HighTech".

Aus den gemütlichen behaglichen Ecken der "Frauenkrimis" heraus, sind schon lange Marcia Muller und Val McDermid, auch wenn Fischer sie stur unter diesem Label vertreibt. Ein wilder und einsamer Ort von Muller ist eine spannende und komplexe Geschichte mit starken Elementen der Abenteuerliteratur und nicht nur für Flieger-Fans empfehlenswert; Clean Break von McDermid ein von Geschlechterfidelwipp freier, smartcrackender. witziger und handfester Roman über die alltägliche Kriminalität im UK. Man kann sich ja aussuchen, ob man Val McDermid lieber als Lesbe, als Schottin oder als Sozialistin gutfinden will. Ich z.B. mag sie als Schriftstellerin.

Daß ich von dem Schriftsteller Paco Ignacio Taibo II sehr viel halte, muß ich hier nicht mehr betonen. Ich weiß aber auch, daß er hin und wieder dazu neigt, mal schnell ein Büchlein hinzuhudeln. So geschehen mit Auf Durchreise (Nautilus), eine 138 Seiten kurze Marginalie, die man nicht unbedingt zur Kenntnis nehmen muß. Zur Kenntnis zu nehmen lohnt sich auch nur für Fans des historischen New Yorks der Roman Nebel über Manhattan von J.D. Christian (Heyne). Ein Steinbruch für stadtgeschichtlich Interessierte (hier: NYC im Jahr 1871), sonst aber allzu bieder und literarisch unerheblich gestrickt.

Nochmal Manhattan, diesmal 1958. Da spielt Manhattan Blues von Don Winslow (Piper) und erzählt hochplausibel, warum J. Edgar Hoover nichts gegen den Kennedy-Clan und die CIA machen konnte. Winslow ist ein spannender Autor, der sehr elegant und originell schreibt. Für mich eine Entdeckung. Und weil's so schön ist, gleich noch ein Buch von ihm: Ein kalter Hauch im Untergrund (Serie Piper). Der juvenile, Tobias Smollett verehrende Held namens Neal Carey soll zur Serien-Figur ausgebaut werden. Ich kann nur hoffen, daß Winslow das Niveau nach diesem vielversprechenden Einstieg halten kann.

Vielsprechend ist auch der Erstling von April Smith: Montana Avenue (Goldmann), ein ganz schön hartgesottenes Werk über eine FBI-Agentin in L.A., und vielleicht endlich wieder eine wirklich originelle Autorin aus den USA. Wird im Auge behalten. Nie aus dem Auge verloren: Stephen Greenleaf, dessen stark reflektierende Prosa manchmal etwas nerven konnte, aber hier, bei Kreuz des Südens (Haffmans), angesichts des Ekelthemas Rassismus die sensationalistischen Aspekte zugunsten komplexer Prosa sinnvoll dämpft. Schlicht ein gutes Buch.

Das Sachbuch des Monats heißt Mathew D. Rose: Berlin. Hauptstadt von Filz und Korruption (Droemer Knaur) - nützlich auch und gerade für Nicht-Berliner, weil es den Verluderungsstand der Republik trefflich und modellhaft zeigt. Ich fürchte nur, Berlin wird's auch auf diesem Feld nicht zur Hauptstadt bringen.

© Thomas Wörtche

 

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