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Leichenberg 04/1999

 

Im letzten Buch von Patrick Robinson waren es "Typen, die in Betttücher gewickelt rumlaufen", die von der US-Navy die Hucke vollgekriegt haben. Diesmal sind die "Schlitzaugen" dran, die "mit ihren U-Booten durch die Weltmeere schleichen". Das paßt dem US-Obersicherheitsmuffel nicht, also werden auch die abgeräumt. Dieses wahrhaft liberale und tolerante Machwerk heißt Kilo Class  (Heyne) und zeigt einmal mehr, daß rechts von Tom Clancy noch viel Platz ist, bevor es Verlagen eng ums Herz wird.

Grenzenlos geduldig ist bedrucktes Papier. Wenn zum Beispiel ein Serial-Killer inzwischen allzu ausgelutscht ist, dann nehmen wir Stücker zwei. Frisches Blut, sozusagen. Das quillt denn auch in breiten Strömen aus James Pattersons Wenn die Mäuse Katzen  jagen (Ehrenwirth). Patterson kommt aus der Werbebranche, und so sehen seine Bücher aus: Sorgsam auf Effekt getrimmt, jede Art von Inhalt penibel vermeidend. Das Telos der Werbewirtschaft ist erreicht: Ob Damenbinde, Müsliriegel oder Serial-Killer-Roman, das Produkt ist, "always ultra" placiert. Und der Leser zappt weiter.

Aus der Steinzeit der Serial-Killer-Welle hat der Maas Verlag ein Frühwerk von Joe R. Lansdale ausgegraben: Akt der Liebe. Dieses rohe und höchst unappetitliche Büchlein stammt aus dem Jahr 1981 (im selben Jahr erschien auch Thomas Harris' "Roter Drache", ein Roman, der fälschlicherweise im Ruf steht, die "Welle" ausgelöst zu haben). Bei Lansdale kann man sehen, wo Serial -Killer-Romane genetisch herkommen: Aus der cheap-thrill-Ecke. Da gehören sie auch hin. Lansdales Buch ist bemerkenswert, weil er genau diesen Aspekt deutlich macht. Akt der Liebe  ist schmuddelig Büchlein. Das macht seinen schrägen Charme aus. Schock-Sequenzen waren damals noch schockant und konnten als "subversiver" schlechter Geschmack durchgehen. Später waren sie immer noch eklig, aber schick und edel präsentiert. Und deswegen ekelhaft. Nix für Leute mit nervösem Magen, aber genre-historisch lehrreich.

Als Kontrastprogramm empfehle ich den schmalen, präsize geschriebenen Roman Fenster zum Himmel  von Bernard Atxaga (Suhrkamp). Kein "Thriller", eher ein narratives Traktat über das, was reale Gewalt psychisch mit Menschen macht. Die Fabel ist schlicht: Eine ETA-Kämpferin wird in Barcelona aus dem Knast entlassen und fährt mit dem Bus nach Bilbao. Spannend ist, was in ihrem Kopf vorgeht, wie sie nach den Erfahrungen von Eingeschlossensein und politischem Kampf die Welt wahrnimmt. Am Ende fröstelt man.

Frösteln machende Qualitäten haben auch die Bücher von Henning Mankell aus Schweden. Nachdem "Die fünfte Frau" sich zum Bestseller gemausert hat, schiebt dtv auch die früheren Bände um Kommissar Wallander wieder nach: Mörder ohne Gesicht  (1991) reflektiert sehr unbequem die sich allmählich aufbauende Xenophobie im sozialdemokratischen Modellstaat nach dem Zusammenbruch des Ost-Blocks. Mankell wird ja gerne mit Sjöwall/Wahlöö verrechnet, aber das ist falsch: Er ist ein Romancier und kein Pamphletist im Krimigewand.

Grundsätzlich soll man vorsichtig sein mit Kerlen, die plötzlich ihr Herz für Frauen entdecken und aus weiblicher Perspektive schreiben. Bei K.J.A. Wishnian geht das gut: Modulation in Schwarz  (Ullstein) ist ein kluger, schneller und witziger New-York-Roman mit der Streifenpolizistin Filomena Buscarsela aus Ecuador in der Hauptrolle. Sie will nach oben und gerät mit den Lemuren der Reagan-Ära (da spielt das Buch) so aneinander, daß es kracht. Wir werden sie freudig beobachten.

© Thomas Wörtche

 

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