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Leichenberg 08/2003

 

Damit niemand auf die abwegige Idee kommt, nach den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag sei es nun aber genug mit der Aufmerksamkeit für Georges Simenon - zwei Romane aus dem Jahr 1931, die jetzt wieder greifbar sind, seien hiermit empfohlen: Das Gasthaus im Elsaß und Maigret und der gelbe Hund (Diogenes). Beide glänzen mit der Inszenierung des Rätselhaften. Ein geheimnisvoller Fremder im ersten Fall, ein seltsamer Hund, der in Verbindung mit seltsamen Anschlägen auf seltsam unsympathische Menschen auftaucht, im zweiten. Bei beiden Romanen, Maigret hin oder her, muss die Auflösung noch zu etwas weit hergeholten Vorgeschichten greifen, und es ist spannend zu beobachten, wie Simenon diese Endschwächen später tilgen wird. Aber der Aufbau der jeweiligen Situationen ist schon große Klasse. Von Simenon lernen, heisst schreiben lernen.

Nach langen Jahren des mehr oder weniger allgemein unverbindlich »menschlich« daherkommenden oder in Gestalt des Serialkillers im Grunde reaktionär rumdödelnden globalen Flutsch-Grimmis scheint sich das manifest Politische wieder in die Kriminalliteratur einzuschleichen. Noch in allerlei Abstufungen, aber immerhin. Wenn ein glatter, obschon brillanter Techniker wie John Sandford in seinem Roman Tödliches Netz (Goldmann) eine Herde alter Polit-Kämpen in den USA eine Art oppositionelles Untergrund-Netz wider die Reichen und Mächtigen (und nicht im Sinn der ultra-rechten militias) bilden und wenn er diese Hacker auf den emanzipatorischen Aspekten von HighTech bestehen lässt - dann ist das zumindest bemerkenswert. Dass er zugleich fast rührend auf die Vernunftbegabtheit von Geheimdiensten abhebt, mag dem Entstehungszeitpunkt des Romans, nämlich 2000, geschuldet sein. Aber spannend ist sein Computer-Märchen allemal. Entertainment plus politics. Na also, geht doch.

Dito Barry Eislers Tokio Killer (Scherz). Der setzt auf action, action, action und lässt einen Superkiller auf allerlei dubiose japanische und amerikanische Dunkelmänner los. Superkiller haben immer ein bisschen was Komisches, wie sie so mit links und rechts killen und über Stock und Stein höppen. Und deren Feinde, so mies, fies und bös sie sein mögen, sind am Ende doch nicht wirklich mies, fies und bös genug. Eislers Superkiller, nichts Neues unter der Sonne, wird vom Jäger zum Gejagten und plötzlich schwemmt der ganze Dreck der USA, nämlich Vietnam, wieder hoch, und wir haben am Ende gelernt, dass ein geschichtliches Thema erst dann tot ist, wenn es gelingt, es verschwinden zu lassen. Die Spätfolgen von Vietnam sind aber eben noch nicht verschwunden, und so entstehen dann doch noch Bücher, die sich daran reiben. Tokio Killer ist ein solches, und bis auf das o.a. Gehöppe auch noch ein sehr spannendes.

Am radikalsten betreibt die Re-Politisierung Peter Robinson, obwohl sein Buch Die letzte Rechnung (Ullstein) schon von 1994 ist - also ein eher direkter Reflex auf die sich damals besonders fett und breit machenden Serialkiller. Bei Robinson geht es um die innenpolitischen Konzessionen, die die britische Regierung einem Kolonialtyrannen, der sich fürs UK als profitabel erwiesen hat, zu machen bereit ist, und darum, wie zynisch die List der Vernunft sein kann, mit der sie sich den Unhold wieder vom Leibe schafft. Robinsons vorzüglicher Roman deutet diesen Subtext nur an (das allerdings recht maliziös und ohne prustende Empörung) und zeigt statt dessen die Folgen für Menschen, die versehentlich auf solche Spielfelder geraten. Kriminalliteratur hat alle Potenziale für solche Entwürfe, und sie ist glücklicherweise noch lange nicht so korrumpiert, dass sie davon abläßt. Man muss nur die richtigen Bücher finden.

 

© Thomas Wörtche, 2003

 

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