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Leichenberg 09/2000

 

"Sie sah sein Verlangen. 'Nein', sagte sie leise. 'Ja', hauchte er fast unhörbar." Ja, das kann schon mal vorkommen. Genauso wie dieser schöne Satz: "In der schwarzen Leere seines Geistes herrschte die Angst". Aber keine Angst, wir besprechen keinen Lore-Roman, sondern ein schickes Hardcover aus dem Scherz Verlag: Dunkles Feuer von David Kenlock. Weil das Buch keinen Übersetzer ausweist, handelt es sich bei Kenlock vermutlich um ein Pseudonym oder um einen Angelsachsen der auf deutsch schreibt - ganz schön clever. Der Eindruck von Deutschkrimi hätte sich aber auch so aufgedrängt, denn das Buch macht ganz toll auf international. Eine amerikanische Software-Firma entwickelt was, was diverse Geheimdienste auch gerne hätten. Die bösen Chinesen etwa und die Bösen aus den amerikanischen Diensten. Immerhin gibt's bei denen auch noch Gute - und so nimmt die unfreiwillig komische Handlung ihren Lauf. Links und rechts sterben die Leut weg und der Held (ein veritabler Golf-Kriegs-Held) überlebt Feuersbrunst, Mordanschläge und schlechte Frauen, bis er der guten Frau (die sitzt im Rolstuhl) in die Arme fallen darf. Immerhin, Robert Ludlum hätte für eine ähnliche Schote 400 Seiten mehr gebraucht, insofern ist Kenlock mit 252 eher moderat. Und noch was: Deutschkrimis dürfen ganz genau so grottenschlecht sein wie amerikanische. Das ist doch - nationalliterarisch gesehen - good news.

Pünktlich zu den Olympischen Spielen lernen wir von dem Dänen Michael Larsen, was für ein schlimmes Giftnest doch Australien ist. Vergessen Sie alles, was Sie bisher über Giftschlangen, Spinnen und nette Meeresbewohner gewusst haben - alles ist viel, viel schlimmer. Deswegen heisst Larsens Roman auch Im Zeichen der Schlange (Hanser) und ist wegen der Manie des Autors, alle und jede Banalität wissenschaftstheoretisch, wissenschaftshistorisch und forschungsstrategisch, quantentheoretisch und postaristotelisch zu überladen, ein lustiges Buch. Denn Larsen bringt es fertig, diesen ganzen gelehrten Überbau ironisch auf den Boden ganz platter Vorgänge oder Situationen fallen zu lassen. Man darf zwar fragen, warum er eine so umständliche Methode wählt, aber immerhin hat er eine. Vielleicht auch um den wirren Plot um hellseherische Kinder und Meteoriten und dergl. Fidelwipp unter einem bunt wuchernden wissenschaftlichen Theme-Park verschwinden zu lassen.

Rundum richtig gute Literatur hingegen bieten sechs liebevoll gedrechselte Miniaturen von Walter Satterthwait, die von Gunnar Kwisinski dito übertragen worden sind: Das Gold des Mayani (Goldmann TB). Das Büchlein war eigentlich ein schon fast abgestürztes Projekt von Satterthwait, das jetzt plötzlich, wo auch Afrkika als Schauplatz interessant zu werden scheint, doch "machbar" ist. Glücklicherweise, denn die Stories um die beiden kenianischen Polizisten Sergeant Andrew M'butu und seinem getreuen Constable Kobari sind raffinierte, wunderbar getwistete und atmosphärisch grandios in Szene gesetzte literarische Äquilibristik. Das Nachwort des passionierten Weltenbummlers Satterthwait ist auch noch ein hübsches Surplus.

Um ein arg düsteres Surplus zur offiziellen Kriminalstatistik geht es in Sabine Rückerts Sachbuch Tote haben keine Lobby (HoCa). Rückerts Thema ist das "Dunkelfeld bei Tötungsdelikten", ein schauerlich notwendiges Buch. Denn hinter den realen 95% aller aufgeklärten Tötungsdelikte steckt noch ein erhebliche Prozentsatz von solchen, die gar nicht erst entdeckt werden. Sie werden übersehen, weggenmogelt, gehen als bedauerlicher Unfall durch und werden meistens als "natürliche Todesursache" verbucht. Man mag sich gar nicht vorstellen (aber Rückert zwingt einem die Frage auf), wieviele erwürgte Säuglinge, zu Tode gespritzte Greise, beiseite geschaffte Ehegatten mit Krokodilstränen beweint täglich krematiert werden. Die Tatsache, dass das Verbrechen buchstäblich überall steckt, sollte man wirklich ernst nehmen. Und Sabine Rückert leidet deutlich nicht an Paranoia.

 

© Thomas Wörtche, 2000

 

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