legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 09/1996

 

Nur für den Fall, daß Verfasser und -innen von deutschen Kriminalromanen zu faul sind, echte Polizisten und -innen zu kennen, gar sich für sie zu interessieren: Gerda Maibach hat unter dem Titel Polizisten und Gewalt. Innenansichten aus dem Polizeialltag  (rororo aktuell) einen sehr guten, sehr nützlichen Beitrag zu der von allen Seiten mit handfesten Interessen behafteten Diskussion um Polizei-Gewalt geliefert. Ein wichtiges Bändchen auf jeden Fall, denn der inneren Verfassung der Polizei entspricht die innere Verfassung unserer Gesellschaft. Beide sind nicht sehr schön.

Es war auch nicht sehr schön, was die amerikanische Gesellschaft im Falle O.J. Simpson von sich offenbart hat. Es wurde da in aller Deutlichkeit demonstriert, daß diese Gesellschaft sich so etwas wie Wahrheit oder Gerechtigkeit längst nicht mehr zu leisten trauen kann, weil beide Funktionalen von Politik geworden sind. Über den O.J.-Fall ist bis zum Erbrechen viel geschrieben worden und deswegen war es beinahe eine Art Kamikaze-Unternehmen, daß Jerry Oster eine eigene Variante des O.J-Themas gewagt hat: True Love (rororo) ist (wie alle Oster-Romane) ein großartiges Patchwork aus Stimmen und Perspektiven, aus Schein und Sein und führt ein wunderbares Cop-Gespann ein: Jeanet Trulove und Mabel Segura, deren Kodderschnauzen zwar alle möglichen Hindernisse aus dem Weg räumen können, aber den ungeklärten Resten eines verworrenen Verbrechens letztlich auch nicht beikommen.

Es scheint sich allmählich für Kriminalliteratur überhaupt als Pferdefuß zu erweisen, daß am Ende alles fein säuberlich aufgeklärt zu sein hat. Das Prinzip taugt schon beinahe nicht mehr als poetische Gerechtigkeit, so widerspricht es jeder Lebenserfahrung. Sandra West Prowells Erstling Traumjäger (btb) leidet deutlich unter diesem Würgegriff: Eine glaubwürdige Hauptfigur - Phoebe Siegel, Privatdetektivin in Billings, Montana -, deutliches Erzähltalent, gelungene, sorgfältige Nebenhandlungen (das wunderbare Huren-Duo Gin & Tonic etwa), einen guten Blick für die Schauplätze: all das läßt auf eine neue Stimme aus den USA hoffen. Dennoch, die Story wirkt gequetscht, gebogen und arg konstruiert, eben weil sie am Ende aufgehen muß. Und das stört.

So ziemlich alles stört bei Karin McQuillans Mörderische Safari (Goldmann): Ein Agatha-Christie-Plot vom blödesten -, auf einer Safari in Afrika kommen Mitglieder der geschlossenen Gesellschaft ums Leben: Wer war's wohl? -, dazuein paar rührende Tierbilder aus der Abteilung Serengeti-darf-nicht-sterben und ein paar dito Schwarze aus der Abteilung "Kulturfilm". Ach ja.

Weniger rührend und ganz und gar nicht sentimental, sondern von bemerkenswerter Sensibilität ein Roman eines Typus, den es seit Gavin Lyall kaum noch gibt: Der Mann ohne Namen von Richard Oliver Collin (Knaur) erzählt von dem schmutzigen, kleinen Krieg, den die Briten in den 70er Jahren beinahe unter Ausschluß der Öffentlichkeit in Oman geführt haben. Das Buch ist eine eigenartige Mischung aus Polit-Thriller und Abenteuerroman und ohne jeden Genrehinweis mit Genuß zu lesen.

Wenn Joe R. Lansdale mal keine Horrorromane schreibt, sieht man, wie gut er schreiben kann. Texas Blues (rororo) ist glücklicherweise keiner, sondern ein auf schnellen und witzigen Dialogen basierendes kleines B-Picture über die amerikanische Provinz, über Schwarz und Weiß und Schwul und Hetero und über die böse Macht der Religion. Sehr empfehlenswert.

© Thomas Wörtche

 

« Leichenberg 08/1996 zurück zum Index Leichenberg 10/1996 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen