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Wörtches Crime Watch 11/2007

 

Declan Hughes: Ein Ring aus Blut und Blut von meinem Blut

 

Ein Ring aus Blut Ein Taschenbuch mit erhabenen Titellettern, mit einer mittelalterlichen angelsächsischen Kapelle und einer düsteren, irgendwie keltischen Landschaft auf dem Umschlag, das zudem »Ein Ring aus Blut« heisst, so ein Buch baut für eine aufgeklärte und mündige Leserschaft Rezeptionsbarrieren. Man vermutet irgendeinen Schlocker aus dem Dan-Brown-Klongewerbe oder dergleichen Unfug. Man vermutet ganz sicher nicht einen grandiosen Roman, der eine tragische Geschichte aus dem Dublin von heute erzählt. Aus Boomtown Dublin, aus der Boomrepublik Irland, aus dem Hightech- und Immobilienwunder, aus dem Euro-Land mit den fetten Wachstumsprozenten.

»Ein Ring aus Blut« ist der zweite Band einer Saga, die noch teilweise im alten Irland wurzelt. Im Irland der Emigration, der Armut, der Depravation und der national-typischen, mehr oder weniger ironisch gebrochenen, psychosozialen Depression, wie wir sie seit James Joyces »Dubliner« assoziieren. Im ersten Band der Saga, »Blut von meinem Blut«, kehrt Edward Loy nach langen Jahren der Emigration aus USA, genauer aus Los Angeles nach Dublin zurück. Seine Mutter ist gestorben, eine Jugendfreundin bittet ihn, der als Privatdetektiv in L.A. mehr schlecht als recht reüssiert hatte, nach ihrem verschwundenen Ehemann zu suchen. Loy fängt an, ganz seinem Rollenklischee gemäß, zu graben. Und stößt, wenig überraschend, gleich auf seine eigene Vergangenheit. Er stößt auch auf die Grundlagen des irischen Booms, auf die Vermischung von Politik und Karrieren, auf Spuren des harten Überlebenskampfes, der konstitutiven Vermischung des organisierten Verbrechens mit allen legalen Wirtschaftsformen, auf Polizeikorruption und Medienmacht. Auch das alles ist wenig überraschend, wenn auch clever gefügt und überzeugend verknüpft. Die wahre Stärke der Ed-Loy-Romane liegt jedoch in der Massivität, mit denen der Autor, der renommierte schottische Dramatiker Declan Hughes, sein Thema angeht.

Blut von meinem Blut Das grosse Thema ist die Familie, die irisch-katholische Familie, mit allen ihren Traditionen, ihrer Psychopathologie, ihren Obsessionen und Neurosen. Im ersten Band purgiert sich Ed Loy sozusagen selbst, indem er sein Herkommen schmerzlich durch ein Gewirr von Schuld und Sühne hindurch zu klären versucht, und dabei auf ein veritables Ehepaar Macbeth im heutigen Zeitgewand trifft. Im zweiten Band rückt er dann dem sehr irischen Amalgam aus Patriachat, Katholizismus und innnerfamiliären Missbrauchsstrukturen derart wuchtig zu Leibe, dass die Gefahr gar nicht erst aufkommt, lediglich das Modethema Kinderschänden bedient zu haben. Dublin erweist sich als Ort, an dem nur »Die Toten« ihrer familiären Konstellation, ihrer Schicksalshaftigkeit, ihrer irrationalen Verstrickungen ledig werden. So wie in dieser berühmten Erzählung von Joyce, zieht Hughes mit ähnlich atmosphärischer Dichte und inzenatorischer Präzision sein analoges Fazit: Der Tod ist der große, der einzig mögliche Gleichmacher.

Für die Lebenden bleibt die Kraft der Analyse - Declan Hughes' zweite kreative Quelle. Ed Loy kommt nicht zufällig aus Kalifornien zurück. Er bringt seine eigene literarische Herkunft mit. Ed Loy ist ein zeitgenössischer Verwandter von Lew Archer, der Serienhauptfigur von Ross Macdonald. Neben den öfter genannten Dashiell Hammett und Raymond Chandler gehört Macdonald zu den ganz Großen der Kriminalliteratur. Seine überragende Stellung beruht weniger auf seiner Rolle bei der Ausprägung der hard-boiled-Tradition, sondern auf seiner Qualität als Psychopathologe der amerikanischen Familie. Selten hat ein zeitgenössischer Autor so bewusst und offen auf Macdonalds Projekt der kriminalliterarischen Tiefenbohrung in den tiefschwarzen und verborgenen Gewölben der Familie angeknüpft wie Declan Hughes, so raffiniert die Entideologisierung der family values vom Protestantischen ins Katholische gekehrt, und dabei so genau die ökonomischen Bedingungen dafür benannt und erzählerisch beschrieben.

Dass Declan Hughes vom Theater kommt, merkt man seinen Figuren an. Sie sind einen Tick zu groß, einen Tick zu pathetisch, einen Tick zu über-menschlich, und sie gehen zu gewaltig unter, um lediglich einem lauwarmen Pseudo-Naturalismus geschuldet zu sein. Declan Hughes liefert grosses Drama. In diesem Fall genau richtig.

Declan Hughes: Ein Ring aus Blut. (The Colour of Blood, 2007). Aus dem Englischen von Tanja Handels. Deutsche Erstausgabe. Reinbek: Rowohlt, 2007, Rowohlt Taschenbuch Nr. 24144, 410 S., 8.90 Euro (D).
Declan Hughes: Blut von meinem Blut. (The Wrong Kind of Blood, 2006). Roman. Aus dem Englischen von Tanja Handels. Deutsche Erstausgabe. Reinbek: Rowohlt, 2006, Rowohlt Taschenbuch Nr. 24142, 411 S., 8.90 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2007

 

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