legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Kleiner Abgesang auf das Krimi-Jahr 2008

 

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes Der Trend des Krimijahres 2008? Bloß kein Risiko eingehen. Allgemein setzen die Verlage auf Muster, die sich bereits erfolgreich bewährt haben - Thriller, die den islamischen Terrorismus thematisieren etwa, oder die ungezählten Heftchen, die in den finsteren Kellern des Vatikans nach sagenhaften Verschwörungen forschen. Dan Brown in the mix. Unspannend auch die Retro-Welle, die 2008 über uns hinweggefegt ist: Viel olles Zeug wurde ausgebuddelt, wirkliche Schätze gab's dabei kaum (wieder) zu entdecken: Diogenes macht Maigret, Maigret und Maigret, Fischer hat die Christie, Rotbuch Hard Case Crime, und die Edition Köln recyclet unter dem prätentiösen Reihentitel "Kriminelle Sittengeschichte Deutschlands" für teuer Geld das eingestaubte deutschsprachige Programm der rororo-thriller-Reihe. Weitere Reihen, die noch tiefer in die Mottenkiste greifen, wurden für das kommende Jahr schon angedroht. Bah!

 

Kind 44 Risikofreudig zeigt sich der junge Engländer Tom Rob Smith in seinem Roman Kind 44, der kurz vor Stalins Tod im Jahre 1953 spielt. Smith erzählt von dem jungen Geheimdienstmann Leo Demidow, verehrter Held des Zweiten Weltkrieges und bis in die letzten Gehirnzellen vom segensreichen Wesen des stalinistischen Systems überzeugt - bis er selbst (und seine Frau) in die grauenvolle Maschinerie der Denunziation und Deportation gerät. Zum Nägel Knabbern spannend, wie Tom Rob Smith den Druck auf sein sozialistisches Musterpärchen erhöht und den Schein der trauten Zweisamkeit als bittere Überlebensstrategie enttarnt. Umso peinlicher dann der Absturz im zweiten Teil des Romans, in dem Tom Rob Smith eine an den Haaren herbeigezogene Serial-Killer-Story fabuliert, die nur funktioniert - oder eben auch nicht -, weil die Hauptfigur vergessen hat, dass seine Eltern nicht seine Eltern sind. Krass!

 

Dr. Siri und seine Toten Putzig ist Colin Cotterills Roman Dr. Siri und seine Toten, das kurz nach der sozialistischen Revolution von 1975 in Laos spielt. Eben - wo war das noch? Der Roman lebt von der Exotik des Schauplatzes und lebenswirklichen Figuren - dem 72-jährigen Pathologen Dr. Siri, der mit Hilfe eines alten französischen Lehrbuchs seinen Leichen zu Leibe rückt, seinen Assitenten Dr. Geung, der an einer leichten Variante des Down-Syndroms leidet, der übergewichtigen Sekretärin, und einer schüchternen Sandwichverkäuferin, die dem rüstigen Doktor schöne Augen macht. Die Story um einen vergifteten weiblichen Partei-Bonzen und verschwundene vietnamesischen Soldaten indes ist nicht komplex, wie an anderer Stelle geschrieben wurde, sondern so holprig vorgetragen, als hätte Cotterill drei Kurzgeschichten zu einem Roman zusammen geleimt. Wir nicken den Roman ab als leichte Sommerunterhaltung.

 

Kalter Tod Flop des Jahres 2008 ist Michael Connellys Harry-Bosch-Thriller Kalter Tod. Connellys Entscheidung, die Erzählperspektive der Serie von der dritten zur ersten Person zu wechseln, ist mutig, macht seine Figur aber eindimensional. Die Story um einen erschossenen Arzt, der Zugang zu radioaktivem Material besaß, und ein von Terror-Paranoia geprägten Sicherheitsapparat, ist flach und jeder Zeit vorhersehbar. Ärgerlich, dass "Kalter Tod" mehrfach auf Ereignisse aus Connellys vorherigem Roman rekurriert, den Heyne aus unverständlichen Gründen erst im nächsten Jahr veröffentlichen will.

 

Erfreulich indes Der Fahrer von Andrew Vachss, eine kleine, dreckige, aber punktgenau erzählte Gangster-Geschichte um Loyalität - und natürlich Verrat. Wer beim Namen Vachss zusammenzuckt: Keine Angst, die Story enthält wirklich nur ein klitzekleines bißchen Missbrauch.

 

© j.c.schmidt, 2008

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen