legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 01/2008

 

Mord auf Bornholm

Ärgerlich unterschätzt während der Skandinavien-Welle der letzten Jahre, die so ziemlich jeden grenzdebilen Grimmi der Übersetzungsförderung zugeführt hat, war der Däne Dan Turèll mit seinen biestigen, bissigen, knarzigen Büchern. Die hatten stets einen namenlosen, leicht übellaunigen Journalisten als Hauptfigur, der sich mit plausiblen, realitätskompatiblen Schurkereien und Verbrechen in Kopenhagen, Jütland und anderswo in Dänemark herumprügeln musste. Immer auf Menschenmaß - kleine, literarische Miniaturen aus den 80s des letzten Jahrhunderts eben. Glücklicherweise hat Bastei Turèll eine 12bändigen Werkausgabe gewidmet, deren 11. Band, Mord auf Bornholm. Kriminalgeschichten soeben erschienen ist und hiermit als Antidot gegen allerlei megalomanen und prätentiösen Fidelwipp empfohlen sei.

Ein wirklich unfaßbares Beispiel für solchen Fidelwipp ist Romain Sardous Kein Entrinnen (Heyne) - eine bierernste Krachschote, in der irgendwelche Serialkiller aus irgendwelchen literarischen Gründen serialkillen und Literaturprofessoren von serialkillenden Serialkillern als Serialkiller aufgebaut werden, wobei irgendwelche Opfer sich von Serialkillern gerne, einvernehmlich und vor allem in erklecklichen Mengen serialkillen lassen. Hallo, jemand zu Hause? Aber vermutlich finden sich irgendwelche Knallköppe, die daraus eine schicke Metaserialkiller-Theorie ableiten. Jo!

Da loben wir uns schon eher die Rückkehr des Profi-Killers Luca Torelli, genannt Torpedo, der in den USA der 1930s sein blutiges Handwerk treibt, und von Fellini bis Tarantino eine illustre Fan-Gemeinde hat(te). Torpedo, so heißen auch die bösartigen, ganz und gar politisch unkorrekten, manchmal richtig bratzig geschmacklosen Comics, die Enrique Sanchez Abuli erfunden und André Toth und später dann Jordi Bernet gezeichnet haben. Leider gibt es die Prosaminiaturen von Abuli immer noch nicht in Buchform zu lesen, aber die Comics, die CrossCult nach und nach in einer 5bändigen Gesamtausgabe versammelt (3 Bände sind bis jetzt erschienen), geben einen schönen Eindruck seiner konzentrierten Bösartigkeit ohne jegliche versöhnlerischen Momente. Fein, daß die Torpedos wieder auf dem Markt sind.

Zeit der Raben

Fein auch, daß es einen weiteren Roman um Detective Inspector Ian Rutledge gibt: Zeit der Raben (Heyne), von dem Mutter-Sohn-Duo, das unter dem Namen Charles Todd schreibt. Rutledge ist, und das ist selten, eine neue, wirklich originelle Figur der Kriminalliteratur. Er war englischer Offizier im Ersten Weltkrieg, hat dort, in den Agonien des Stellungskrieges, einen ihm unterstellten Sergeant hinrichten lassen - den Gnadenschuß hat er ihm selbst gegeben - und muß nun mit diesem Sergeant, ein Schotte mit dem schönen Namen Hamish, leben. Denn der ist in Rutledges Bewußtsein eingezogen und kommuniziert ständig mit dem Inspector, der gleich nach dem Krieg seinen Job bei Scotland Yard wieder aufnimmt. So, wie Charles Todd diese Konstellation inszeniert, ist daran kaum etwas Sensationelles oder Irres. Rutledge hat zwar eine ausgewachsene Schützengrabenneurose, aber er funktioniert zusammen mit Hamish ganz prächtig. Zeit der Raben ist eine grandiose Etüde in Kälte, Unbehaustheit, Unbehagen und gesellschaftlichem Umbruch in einer durch und durch neurotischen Nachkriegsgesellschaft. Große Klasse.

Furcht

Ebenfalls auf der Schwelle zum Fantastischen tanzt Furcht von Bentley Little (Bastei). Ein kleiner, unspektakulärer, aber intelligenter und packender Roman über Sicheres Wohnen heute, über die Werte einer gutbürgerlichen, rassistischen Klassen-Gesellschaft und über den Horror von Ordnung und Ruhe. Nicht rasend originell, ganz aus dem Geiste von Ray Bradbury und Stephen King, aber dennoch ein teuflisch beklemmendes Büchlein, weil darin das Böse auf sehr leisen Sohlen schleicht. Ich mag so was gerne...

Und noch ein Hybrid: Skorpion von Richard Morgan (Heyne). In einer nicht allzu fernen Zukunft geht Carl Marsalis seinem Job als Kopfjäger nach. Er muß aus dem Ruder gelaufene gentechnisch behandelte Mordbuben aus dem Verkehr ziehen und ist doch selber einer. Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich bis zur Kenntlichkeit verändert, die Weltordnung hat sich neu sortiert, und wie immer bei Morgan damit auch die Genregrenzen. Skorpion ist, neben einer überzeugenden Dystopie, auch ein sehr spannender Polit-Thriller - und deswegen natürlich auch ein Buch über das Hier und Heute.

 

© Thomas Wörtche, 2008

 

« Leichenberg 12/2007       Index       Leichenberg 02/2008 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen