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Leichenberg 06/2003

 

Schau an, schau an, neue Töne aus Deutschland. Naja, ganz neu auch nicht, denn das, was Norbert Horst da in seinem Erstling Leichensache (Goldmann) macht, ist schon ein bisschen sehr deutlich Pieke-Biermann- und Frank-Göhre-induziert. Aber die Polizeiperspektive auf einen Mordfall ernst zu nehmen und dann auch noch in Erzähl-Bits mit schönen running gags (falsche Fussballnachrichten und WDR2-bashing) und sehr authentischen Szenen aus dem Polizeialltag aufzulösen, das ist ihm sehr gut gelungen. Leider hat das Lektorat dieses Buch alleine im Regen stehen lassen, denn die Hauptfigur, KHK Kirchenberg ist so peinlich oversexed, dass man`s kaum lesen mag. Sonst aber ein sehr vielversprechendes Debut. Jede neue Stimme von einiger Substanz wider den ganzen Formelquack wird sehr freudig begrüßt. Horst hat eine.

Die leise Stimme des Todes (Scherz) allerdings artikuliert sich in hilfloser, nach Schreibseminar und verlegen im Synonymen-Lexikon blätternder Mechanik, die nur so vor Hölzernheit knarzt und quietscht. Das Buch von David Kenlock, der trotz dieses Namens auf deutsch schreibt, zeigt aufs Schmerzhafteste die Tragik von Kriminalromanen, die vom Plot her aufgezogen sind: Dieses hier ist ein Grimmi über die unmoralischen Methoden von Herzverpflanzern. Pfui, was für Schweinebacken aber auch!

Richtige Schweinebacken hingegen tummeln sich in Buddy Giovinazzos Potsdamer Platz (Pulp Master). Ein noir-noir-noir-Roman, in dem eine US-amerikanische Firma der eigennützigen Art über eine dito türkische Vereinigung an Grundstückfilets am Potsdamer Platz ranwill, und dabei einer Russo-Stasi-Firma in die Quere kommt. Es wird blutig, sehr blutig, und der Chef-hitman der Amis kommt ins Grübeln. Ein sehr phantasmagorischer, hammerharter Roman, der Tempo, Action, Blut, Gekröse und eingängige Bilder galore liefert. Lesen sollte man ihn, wie das schöne Vorwort von Frank Nowatzki empfiehlt, strikt auf der symbolischen Ebene. Denn Berliner Realitäten findet man nur ganz, ganz vermittelt. Aber als Stück Literatur fetzt es sehr schön.

Sehr schön gestalten sich auch die ersten drei Viertel von Thomas Perrys Sicher ist nur der Tod (Piper). Wie eigentlich immer bei Perry: Ein sehr eleganter, intelligenter Plot - ein absolut cleverer Versicherungsbetrug, an dessen Ende eine ganze Stadt voller Gangster steht -, wunderbare, schräge Figuren - hier der freischaffende Sicherheitsberater Max Stillman, sein pedantischer Sidekick John Walker und dessen aufregende neue Liebe Mary Catherine Casey alias Serena - und witzige, schnelle Dialoge. Und wie oft bei Perry auch hier wieder die Schlussschwäche, wo ewig geflüchtet, entkommen, gehöppt und gerannt usw. usw. wird und in diesem Fall auch noch ein deus ex machina bemüht werden muss. Perry ist ein 75%er Gigant.

Richtig lustig und politisch gar nicht korrekt hingegen ist Walter Satterthwait Frontalattacke gegen amerikanische Essgewohnheiten: Scherenschnitte (Goldmann) zeigt einen diätbessenen Serial-Killer bei der Arbeit, der seine dickleibigen Opfer auf Kate-Moss-Maß zurechtschnitzt. Das ist natürlich betrüblich und verwerflich, und deswegen rückt ihm eine Cop-und-Profiler-Truppe auf den Leib, die von Satterthwait aber auch nicht sehr ernst genommen wird. Ein recht eigenartiger Humor, den unser Autor da entfaltet, aber ich habe ein paar Mal sehr laut gelacht.

Nur zum verkniffenen Grinsen hat es diesmal allerdings bei Bill Pronzini und Schlechte Karten (Fischer) gereicht. Ein klassischer, arg unplausibler noir, der 1950 als solide durchgegangen wäre. 2002 nicht mehr. Eine Nostalgieveranstaltung mit bösen Schwestern und einem absolut dämlichen Schlussgag. Nee, ne.

 

© Thomas Wörtche, 2003

 

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