legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 07/2009

 

Ein Job in Taschkent

Am Anfang war Modesty Blaise. Die erste Top-Heldin mit der eigenermächtigten Lizenz zum Töten, autonomem Sexlife und multimedialer Verbreitung. Modesty, erfunden und geschrieben von Peter O'Donnell war sowohl Roman als auch Comic-Figur, später dann gab es Modesty Blaise in jedem nur denkbaren Medium. Die Kollegin Emma Peel schaffte es nicht wirklich, außerhalb der TV-Serie "The Avengers" zu überleben, Lara Croft schließlich tummelte sich erst im Computerspiel, bevor sie zur Filmheldin wurde. Und jetzt Tara Chace und Carrie Stetko - zwei Frauen aus dem Universum von Greg Rucka. Tara Chace als Romanheldin, Carrie Stetko als Comic-Figur haben beide - der Zufall des deutschen Verlagswesens will es so - parallel ihren jeweils zweiten Auftritt. Ein Job in Taschkent (dtv) heißt der Roman und präsentiert sich in deutlich besserer Form als sein Vorgänger »Dschihad«. Tara Chace stolpert in verpfuschte und aus geänderter politischer Opportunität katastrophale Geheimdienstoperationen. In Usbekistan muss die britische Agentin erst um ihr Überleben fürchten, dann - böse gefoltert und gedemütigt - holt sie zum Gegenschlag aus und nutzt ihrerseits die realpolitischen Wirren der Gegend, um sich an ein paar ausgewählten Schätzchen final zu rächen. Rucka inszeniert diesen nicht allzu überkomplexen Plot als Action-Spektakel, dessen Einbettung in die nachvollziehbaren Konflikte von Ort und Zeit für ein paar schöne, coole, erfreulich unerfreuliche böse Kommentare zur Realpolitik realer Staaten sorgen.
Ähnlich erfreulich der von Rucka entworfene und getextete, von Steve Lieber gezeichnete zweite Band von Whiteout - Melt (Cross Cult). US Marshall Carrie Stetko muss in der Antarktis mit einem ganzen Trupp humorlos brutaler ex-sowjetischer Elitesoldaten fertig werden, die gefährliches Atomzeugs gemopst haben. Stetko wird mit ihnen fertig, Mann für Mann. Panel für Panel. Und wie sie das macht, lösen Rucka und Lieber in schnell montierten und - der Landschaft angepassten - sparsam gefüllten Bilder auf, die zwischen Drive und Abstraktion hin und her switchen. Extrem unterhaltsam.

Das Netzwerk

Man kann natürlich auch eine Geschichte von Loyalität, Verrat, großer Politik und kleinen Menschlein und einer völlig anders gestrickten Spionin langsam schreiben, episch, mäandernd, fast altmeisterlich die Details auspinselnd. Wenn man das kann, kann sowas sehr spannend sein. So wie bei David Ignatius in seinem neuen Roman Das Netzwerk (rororo). Die Handlung spielt 1979/1980 und geht um einen Versuch der CIA, die Sowjetunionen in ihren muslimischen Provinzen zu destabilisieren - also in Gegenden wie Usbekistan etc., die man "Groß-Turkestan" nennen könnten. Jeder Versuch, den wahrhaft byzantinischen Plot nachzuerzählen, ist so zwecklos wie strafbar. Aber zu lesen lohnen sich die immerhin doch 667 Seiten Zeile für Zeile. Ein Polit-Thriller der guten alten Schule.

Ein Buch irgendwo auf der Schwelle zwischen Thriller und Abenteuer-Roman, ganz im klassischen Zuschnitt von Gavin Lyall oder Alan Schofield ist Mord in Mombasa von Nick Brownlee (Knaur). Die Story von zwei englischen Aussteigern, die an Kenias Küste ein Charterboot für abenteuerlustige Hochseeangel-Touristen, nach dem Vorbild Hemingway "Ernies" genannt, betreiben. Gleich in der ersten Szene wird ein Ernie ausgeweidet - und dann rast die Handlung los. Schnell, brutal, komisch und dem Schauplatz adäquat. Denn das Organisierte Verbrechen ist global und Ostafrika für manche Branchen ein günstiger Standort. Klasse Buch!

Unfun

Ein völlig abgedrehtes Buch, jenseits von Schubladen und Kategorie, aber ein Buch über Gewalt, Gewalt und nochmal Gewalt ist Unfun von Matias Faldbakken (Blumenbar). Im dritten und letzten Teil der "Skandinavischen Misanthropie" versucht der "Gewaltintellektuelle" (und Fitnessstudie Poweruser) Slatko Joseph Conrads "Herz der Finsternis" erst als Splattermovie, dann doch lieber als Online-Slasher-Game, das in Paris spielt, zu inszenieren - mit einem durchgeknallten nigerianischen Muskelmann und einer Steinsäge in der Hauptrolle. Das Buch endet mit üblem Mord, nachdem schlichte Gewaltexzesse doch eher zur lieben Routine gehören. Da ist der norwegische Autor dann ganz präzise in der Einschätzung gesellschaftlicher Dispositionen. Obwohl Faldbakken in den ersten beiden Teilen der Trilogie (»The Cocka Whola Company« und »Macht und Rebell«) seine Provogesten oft nervend und inflationär eingesetzt hat, erzählt er hier weniger auf einzelne Choques setzend, sondern schon fast konzentriert und ruhig. Von wegen Unfun - fun der arg schwarzen Sorte.

 

© Thomas Wörtche, 2009

 

« Leichenberg 06/2009       Index       Leichenberg 08/2009 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen