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Wörtches Crime Watch 12/1997

Martin Ros und Brian Moore

 

Schakale des Dritten Reichs "Schakale des Dritten Reichs" nennt der holländische Sachbuchautor Martin Ros seine Studie über den "Untergang der Kollaborateure 1944 - 1945". "Schakale" sind bei ihm so unterschiedliche Gestalten wie Lord Haw-Haw, Brasillach, Pound, Hamsun, Stella Goldschlag, Wlassow, Mussolini oder Szálasi. Eine merkwürdige Mischung, ein merkwürdiges Buch.

Die Kollaborations-Thematik hat seit etlichen Jahren an Brisanz gewonnen. Der Barbie-Prozeß hatte dabei eine Schlüsselrolle, aber es waren eher Filme und Romane, die das Thema z.B. in Frankreich am Kochen hielten. Beliebt machten die Autoren sich nicht. Jean-Pierre Melvilles Film "L'Armee des Ombres" (1969) oder Didier Daeninckx' Roman "Karteileichen" (1984) hielten die Wunde am Schwären. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges konnte eine Neubewertung der "Kollaboration" in den von Deutschland besetzten Ländern, resp. von in deutsche Machtinteressen eingebundenen politischen Bewegungen beginnen.

Ros' Buch bietet dazu eine auf den ersten Blick nützliche Kompilation. Auf den zweiten Blick erscheint es sehr prekär. Aus mehreren Gründen: 1) Ros zitiert zwar lang und breit, aber die Zitate sind nicht mit der Bibliographie kurzgeschlossen, also nur schwer nachprüfbar. Es ist durchaus bekannt, daß der junge Emile Cioran ein Sympathisant der faschistischen Eisernen Garde in Rumänien war. Dennoch hätte ich gerne eine Quellenangabe für seine Hymnen auf Hitler.

2) Ros neigt dazu, geschichtliche Kontinuitäten zu verkürzen. Im Kapitel über den indischen Nationalisten Subhas Chandra Bose fehlt jeder Bezug auf die traditionelle deutsche Politik, England via Indien anzugreifen. Die einschlägigen Studien zum Ersten Weltkrieg (und davor) von Peter Hopkirk oder dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt scheint Ros nicht zu kennen. Man muß diesen Zu-sammenhang kennen, um Bose richtig einordnen zu können.

3) Ros möchte aber dringend "gerecht" sein. Deswegen versucht er Individuen, die er zu den "Schakalen" zählt, auf anderer Ebene zu retten. Ezra Pound und Knut Hamsun gehören in diese Kategorie, auch für Robert Brasillachs Prosa findet er lobende Worte: Schakalesk ist sie für ihn nur, wenn sie antisemitisch geifert, sonst anscheinend bewundernswert. Ros möchte ästhetische und politische Kategorien streng auseinanderhalten, das geht in diesen Fällen gerade nicht.

Hetzjagd Überhaupt ist diese wilde Mischung aus Politikern, intellektuellen Wegbereitern und Geiferern, Schergen (Mitgliedern der nicht-deutschen freiwilligen SS-Divisionen, deren "Mut" und "Kampfkraft" Ros Beifall zollt) und schlichten Serien-Mördern (dem Pariser Dr. Petiot etwa) - unter Weglassung der wirtschaftlichen Großprofiteure und ohne Ausblick auf das Nachwirken der Scheusale in der Gegenwart - beliebig und, eben, merkwürdig. Zu rhetorisch benutzt Ros verurteilende Adjektive für das Nazi-Regime (scheußlich, verbrecherisch etc. - was denn sonst?), gleichzeitig hat er zu viel Verständnis für die Schakale, wenn sie nur etwas "Gutes gewollt" haben. Das stößt übel auf. Ich möchte ihm keine Sympathien mit den Tätern unterstellen, aber seine mal schlampige, mal undurchdachte "Inszenierung" rückt die Kompilation ins Zwielicht.

Deutlicher, weil in eisig-klarem Licht inszeniert der große irische Schriftsteller Brian Moore das gleiche Themenfeld als Roman. Die realpolitischen Machenschaften von una sancta ecclesia waren schon immer sein Thema, in Geschichte ("Schwarzkittel") und Gegenwart ("Die Farbe des Blutes"). So auch hier, in "Hetzjagd". 1989 ist einer der letzten Judenschlächter des Vichy-Regimes auf der Flucht. Die katholische Kirche verordnet sich aus kosmetischen Gründen eine Untersuchungskommission über ihre Rolle im besetzten Frankreich. Nur wenige Kirchenmänner möchten den Strolch jetzt noch schützen. Auch Paris, das Machtzentrum (Stichwort: Papon), entzieht dem alten Scheusal die Protektion. Die alte Koalition der Unmoral schminkt sich aus unmoralischen Gründen um. Dagegen hat der ebenso unmoralische Flüchtling keine Chance. Wie Unmoral in der Unmoral funktioniert und bizarrerweise in "poetischer Gerechtigkeit" endet, das wird bei Moore zu einem makellos-kalten Polit-Thriller und gleichzeitig zu säureklarer Analyse.

 

© Thomas Wörtche, 1997

 

Martin Ros:
Schakale des Dritten Reichs.

Untergang der Kollaborateure.
(Ondergang van de collabo's 1944-1945, 1995)
Dt. von Christiane Kuby und Herbert Post.
Stuttgart: Neske 1997.
358 Seiten, DM 35.-

Brian Moore:
Hetzjagd.

(The Statement, 1995).
Dt. von Bernhard Robben.
Zürich: Diogenes 1997.
297 Seiten, DM 38.-

 

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