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Krimi-Auslese 09/2001

 

Zwei große Männer der Kriminalliteratur feiern in diesem Monat Jubiläum: Evan Hunter alias Ed McBain, dessen gigantische Serie um das 87. Polizeirevier weltweit nicht nur wegen des Umfangs ihres Gleichen sucht, feiert am 15. Oktober seinen 75. Geburtstag. McBain ist fester Bestandteil der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts - wie auch David John Moore Cornwell alias John Le Carré, der sich als Chronist der politischen Komplexität und der moralischen Zwiespältigkeit des kalten Krieges einen festen Platz in der Literaturgeschichte erobert hat.

Le Carrés Verlag Econ-Ullstein-List, so entnehmen wir der Verlagsvorschau, würdigt den Meister "zum 75. Geburtstag" mit einer Neuausgabe seiner Werke. Das ist erfreulich, aber auch bezeichnend für den Umgang selbst mit den profiliertesten Vertretern der Gattung Kriminalliteratur: Le Carré ist - so können wir der Vorschau selbst ein paar Zeilen weiter entnehmen - 1931 geboren.
Ts, ts.

 

Die einzige Wahrheit Herbst.
Dieser Tage werden die geneigten Leserinnen und Leser mit einer Flut meist voluminöser Schwarten erschlagen, die dem breiten Publikum trübe und trübselige Sonntagnachmittage versüßen sollen. Wenn man sich von dem flauen Titel nicht abschrecken lässt, kann man so etwa Jodi Picoults eineinhalb pfündigen Roman »Die einzige Wahrheit« bei Glühwein und Spekulatius prima wegschlönzen.

Paradise, Lancaster County, eine Gemeinde der Amish in Pennsylvania: In der Scheune des Milchbauern Aaron Fisher wird ein totes Neugeborenes gefunden - ein Frühchen, das zwar lebend geboren wurde, dessen Überlebensfähigkeit jedoch zum Streitpunkt der Experten wird. Verdächtigt und unter Mordanklage gestellt wird Katie, die 18-jährige Tochter der Fishers, die laut medizinischer Befunde vor kurzem ein Kind zur Welt gebracht haben soll. Doch Katie leugnet immer wieder Schwangerschaft und Geburt.

Ellie Hathaway, Staranwältin aus Philadelphia, übernimmt Katies Verteidigung. Ellie durchlebt eine Krise: Ein Freispruch, den sie vor kurzem für einen Pädophilen erkämpfte, obgleich von ihres Mandanten Schuld überzeugt, brachte ihr zwar lukrative Angebote der High Society Kanzleien ein, doch die Augen der gepeinigten Kinder verfolgen sie bis in ihre Träume. Auch privat läufts nicht rund für die erfolgsorientierte Advokatin: Die biologische Uhr tickt unerbittlich, und der derzeitige Lebensgefährte ist definitiv nicht der Richtige für die Gründung einer Familie.

Nur indem sich Ellie für die Angeklagte verbürgt und den Amish-Teen unter ihre Aufsicht nimmt, kann sie Katie vor einer langwierigen Untersuchungshaft bewahren. Die karrierebewusste Anwältin lässt Handy und Computer in der Großstadt zurück und zieht auf die Farm der Fishers, wo sie von nun an ein Zimmer mit Katie teilt.

Langsam nur gibt Katie ihre Geschichte und die ihrer Familie preis. In den idyllischen Weizenfeldern Pennsylvanias und dem langsamen, streng ritualisierten Leben der Gemeinde enthüllt sich Schicht um Schicht eine Tragödie: Der Tod von Katies jüngerer Schwester etwa, die siebenjährig beim Schlittschuhlaufen im See einbrach. Die Verbannung des Bruders Jacob, dem direkter Kontakt zu den vollwertigen Mitgliedern der Amish-Gemeinde untersagt ist. Die zwiespältigen Verheißungen einer seltsamen, fremden Welt, die Katie bei ihren regelmäßigen Besuchen des Bruders auf dem College-Campus kennenlernt. Und der über allen thronende, gestrenger Vater, dessen unbeugsames Credo "Erst der Glaube, dann die Familie" lautet.

Jodi Picoult entfaltet ihre Geschichte mit viel Gespür für ihre Figuren und mit handwerklichem Können. Spannend kontrastiert die junge Autorin das archaische Leben der Schlichten, wie sich die Amish nennen, mit dem der Englischen. Picoult zeigt eine Welt, deren Kennzeichen die Langsamkeit, das treue Festhalten an der tradierten Lebensart und dem Wortlaut der Ordnung sind; eine Welt, die sich als Gemeinschaft definiert:

»Für euch geht es immer nur darum, sich irgendwie hervorzutun. Wer ist der Reichste, der Beste. Für uns geht es darum, mit den anderen eine Einheit zu bilden. Wie die Stoffstücke in einem Quilt. Betrachtet man uns einzeln, machen wir nicht viel her. Aber zusammen sind wir etwas Wunderbares.«

Picoults Darstellung verkommt an keiner Stelle zum religiösen Ethno-Pop. Behutsam geht sie mit ihrem Thema um: das Aufbegehren einer jungen Frau innerhalb einer Gemeinschaft, von der unter Bann gestellt zu werden ihre schlimmste Vorstellung überhaupt ist. Etwas mehr Tiefgang hätte dem Werk allerdings höhere Stabilität verliehen. Woher etwa stammen bestimmte Rituale? Welcher Sinn verbirgt sich in bestimmten Glaubenssätzen? Das sind Fragen, die Jodi Picoult auch einem breiten Publikum, für das der Roman geschrieben ist, zumuten darf.

Am guten Ende einer jeden Trivialität steht die bürgerliche Kleinfamilie: Als Belohnung für ihre Leuterung sieht die Staranwältin Ehe- und Kinderfreuden entgegen, während sie einen letzten sinnverlorenen Blick über Pennsylvaniens güldene Weizenfelder schweifen lässt...

Jodi Picoult: Die einzige Wahrheit. (The Plain Truth). Roman. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. München: Kabel Verlag, 2001, 464 S., 39.80 DM

 

Projekt Schlaraffenland Ein federleichtes, durch und durch fröhliches Buch ist der Hamburger Wissenschaftsjournalistin Hanne Tügel gelungen. Ihr Roman »Projekt Schlaraffenland« ist ein beglückendes Märchen über die "Leichtigkeit des Seins in der Joy-Food-Epoche". Vergesst Prozac!, möchte man ins Land hineinrufen, jetzt kommen die Glückskekse! Richtige Glückskekse, nicht die komischen Dinger, an denen man sich einem merkwürdigen Brauch folgend Sylvester die Zähne an aufgebackenen Münzen zerbröselt.

Sojafraktionierung lautet das Zauberwort. Leckere Enzyme. Öko macht nur gesund - post-öko macht selig! Und von dieser wundervollen Verheißung erzählt Hanne Tügels Roman.

Alles beginnt mit dem Ableben eines Testkosters in der Versuchsabteilung der Hamburger Niederlassung des Lebensmittelmultis Fosco International:

"Der Geist verließ einen Körper, den sein Besitzer in den letzten Jahren dem Heroin und dem kulinarisch-technischen Fortschritt geopfert hatte. Sie schieden in Frieden."

Eine Leiche in der Lebensmittelfabrik ist an sich schon eine unangenehme Affäre - in der sensiblen Phase der Markteinführung eines neuen Produkts ist es eine Katastrophe. Die beherzte Psychologin Katharina Quast, in der Forschungsabteilung mit völlig unbedeutenden Arbeiten beschäftigt, ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hilft dem Leiter des Labors, die Leiche zu beseitigen. Und einen Skandal zu verhindern.

Der Lohn der kühnen Tat lässt nicht lange auf sich warten: Von Mark Sweenie höchstpersönlich, dem irisch-stämmigen Chef des Konzerns, wird Katharina Quast befördert und fernerhin mit der Entwicklung eines Werbekonzepts für »Fitty« betraut. »Fitty« ist Foscos neues Spitzenprodukt, Resultat der modernen Lebensmittel-high-technologie - ein enzymatisch verändertes Universalfett, das in leichter Dosierung den Konsumenten selig-gelassen macht, und in etwas höherer etwa dazu geeignet ist, aggressive Gefängnisinsassen lammfromm zu machen.

Was sind schon Antibiotika im Truthahn gegen Anti-Depressiva im Brot? Auch Katharina Quast ist von den Aussichten begeistert. Wenn sich nicht gerade erotischen "Wachträumen von einem unerreichbaren Chef mit grünen Iren-Augen" hinterher hängt, arbeitet sie mit Volldampf und Kreativität an ihrem Werbefeldzug für Fitty. Auch durch die Proteste der Öko-Gruppe ESSkalation lässt sie sich in ihrer Arbeit nicht beirren. Doch dann kommt es zu einem weiteren Todesfall.

In Hanne Tügels Roman geht es um "Selbstmorde, Vertuschung, Erpressung, Entführung, Verschwörer, Glückskekse." Ihr Buch ist eine bitterböse Abrechnung mit der schnöden Businesswelt und ihrer durch und durch hohlen Sprache. Spannend sind die Ausflüge Tügels in die Welt der Grimm'schen Märchen, eine literarische Reise in die Kulturgeschichte des Essens. Das Ganze ist dabei so schwungvoll vorgetragen, so voller Biss und Ironie, das einem bei der Lektüre das Grinsen nicht aus den Mundwinkeln weichen will - ganz so, als hätte man in Fitty gebackene Glückskekse gemömmelt. Das bescheuertste Verkehrsmittel der Welt - das Tretboot - als running gag einzubauen, ist grandios.

Hanne Tügel: Projekt Schlaraffenland. Roman. Originalausgabe. München: Droemer Knaur, 2001 (Knaur Taschenbuch Nr. 61888), 356 S., 14.90 DM, 7.50 Euro (D)

 

Regenzauber Karen Nichols sieht so unschuldig und unbeleckt aus, als würde sie ihre Socken bügeln und Romane von John Grisham lesen. Auf ihre Schecks malt sie kleine Entchen und das "O" in ihrem Nachnamen verziert sie mit einem Smiley. Als Karen Nichols von einem Mann namens Cody Falk mit ekelhaften sexuellen Angeboten drangsaliert wird, wendet sie sich an den Bostoner Privatdetektiv Patrick Kenzie. Kenzie und sein freier Mitarbeiter Ruprecht "Bubba" Rogowski statten dem Mann einen Besuch ab, umreißen kurz seine Aussichten, sollte er mit seinen Belästigungen weitermachen, und die Angelegenheit scheint bereinigt.

Sechs Wochen später klingelt Kenzies Telefon, doch Kenzie und seine aktuelle Geliebte sind gerade auf dem Sprung auf die Bahamas. Karen Nichols hinterlässt eine kurze Nachricht, doch auch nach seiner Rückkehr versäumt es Kenzie, sie zurückzurufen. Das nächste, was Kenzie von Karen Nichols hört, ist die Meldung von ihrem Selbstmord: Karen Nichols sprang splitternackt von der Besucherplattform des Custom Houses.

Aus den Zeitungen erfährt Kenzie von einer fatalen Verwandlung der seligen Unschuld:

"Ich war mir ziemlich sicher, dass Karens Tod nur deshalb in den Zeitungen ausgewalzt wurde, weil sie von einem bekannten Gebäude gesprungen war, und nicht, weil sich jemand für ihr Motiv interssierte; und dennoch glaubte ich, dass sie eine Zeit lang zu einer morbiden Mahnung wurde, wie die Welt oder das Schicksal die Träume eines Menschen zunichte machen können. Denn in den sechs Monaten, seit ich sie kennen gelernt hatte, war Karen Nichols' Leben in einer Abwärtskurve verlaufen, die steiler war als die Eigernordwand."

Der Unfall ihres Lebensgefährten David Wetterau, der seitdem im Koma liegt, markiert den Anfangspunkt einer Serie von Ereignissen, gegen die sich die Geschichte Hiobs ausmacht wie ein Märchen von Walt Disney. Karen Nichols verliert ihren Job, ihre Wohnung und ihr Auto, sie wendet sich zu Drogen und Alkohol, wird schließlich vergewaltigt und mehrfach von der Polizei wegen Prostitution aufgegriffen.

Patrick Kenzie ist Katholik - vom Glauben abgefallen, aber immer auf der Suche nach einem Sinn. Die fatale Verwandlung der "Ballkönigin mit weißen Zähnen, kerngesund und mit einer seligen Unschuld", lässt ihm keine Ruhe. Unterstützt von seiner ehemaligen Partnerin Angela Gennaro, die mittlerweile für eine große Bostoner Agentur arbeitet, untersucht Kenzie Karens Selbstmord und stößt auf einen Gegner, dem das Töten zu langweilig ist - ein Gegner, der seine Opfer so lange peinigt, bis sie sich ihren eigenen Tod wünschen.

»Regenzauber«, Lehanes fünfter Roman um die Bostoner Privatermittler Angela Gennaro und Patrick Kenzie, ist ein furios-fulminanter Kriminalroman. Die beiden Hauptfiguren sind das mit Abstand spannendste Ermittlerduo der zeitgenössischen Kriminalliteratur. Kenzie und Gennaro sind von Zweifeln geplagt, Zweifeln an sich und Zweifeln an der Welt. Der Facettenreichtum seiner Figuren bewahrt Lehanes Romane davor, in tumbe Macho-Thriller abzugleiten. Auch wenn er bis an die Grenzen des Erträglichen schreibt, sind Gewalt und Schrecken alles andere als Selbstzweck, sondern haben etwas beinahe biblisch-gleichnishaftes:

   »Ach, sie wollte wirklich sterben, Mr. Kenzie. Unbedingt.«
   »Wollte sterben oder wollte gerettet werden?«
   Sie sah mich an. »Ist das nicht das Gleiche? Wenn man gerettet werden will? In dieser Welt, was? Das ist...« Ihre Gesichtszüge verdunkelten sich. Mehrmals schüttelte sie den Kopf.
   »Was ist das?«, hakte ich nach.
   Sie schaute mich an, als sie ich ein Kind, das gefragt hatte, warum Feuer brennt oder die Jahreszeiten wechseln.
   »Das ist doch so, als würde man um Regen beten, oder, Mr. Kenzie?« Sie hob die Hand in den klaren weißen Himmel. »Als würde man mitten in der Wüste um Regen beten.«

Dennis Lehane ist für das zeitgenössische Boston, was Chandler und Hammett für Los Angeles waren.

Dennis Lehane: Regenzauber. (Prayers for Rain, 1999). Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer. Deutsche Erstausgabe. München: Ullstein, 2001 (Ullstein Taschenbuch Nr. 25173), 462 S., 17.50 DM, 8.95 Euro (D)

 

Morituri Hinter dem weiblichen Pseudonym Yasmina Khadra verbirgt sich ein Mann, dessen richtiger Name Mohammed Moulessehoul lautet. Mohammed Moulessehoul ist Algerier, war lange Jahre Offizier in der Algerischen Armee und lebt seit Dezember 2000 im französischen Exil.

Nachdem Mohammed Moulessehoul einige Bücher unter eigenen Namen veröffentlicht hatte, schrieb er eine imposante Trilogie um den Polizisten Brahim Llob. Die Llob-Trilogie veröffentlichte Moulessehoul als Yasmina Khadra, dem Namen seiner Frau.

Brahim Llob ist Kommissar. Und Brahim Llob ist Autor. Autor von Kriminalromanen, die er - und hier schließt sich der Kreis - unter dem Pseudonym Yasmina Khadra veröffentlicht. Dem Namen seiner Frau.

Llob lebt und arbeitet in Algier:

"Sie ist schön, unsere weiße Stadt, wenn die Luft so klar ist, daß man im Umkreis mehrerer Meilen eine Eiche von einem Johannisbrotbaum unterscheiden kann. Gäbe es da nicht diese greulichen Attentate und die Scharen der Erleuchteten, die wie Motten die Straßen und die Gehirne zerfressen, man würde Algier nicht gegen tausend Märchenstädte eintauschen."

In seiner alltäglichen Polizeiarbeit hat sich Kommissar Llob mit gewöhnlichen Verbrechern rumzuschlagen, mit fundamentalistischen Terroristen, und mit einer Regierung, die den Bürgerkrieg bagatellisiert als "Pubertätskrise" einer jungen Nation, die "erwachsen werden" will. Und mit einer dekadenten Oberschicht, die vom Terror weitgehend unberührt bleibt:

"Ghoul Malek lungert gemütlich in seinem Korbstuhl am Rand eines kleeblattförmigen Swimmingpools. Aufgedunsen vom Blut des Volks, hängt ihm sein Wanst bis auf die Knie herab. Als er mich über die Fliesen einer Allee heranschlurfen hört, setzt er sich hinter seiner Sonnenbrille in Szene und schiebt sich eine Havanna in den Schlund."

Herbs der Chimären Seit Jahren wütet in Algerien ein Bürgerkrieg, der von der Weltöffentlichkeit weitgehend ignoriert wird. Menschen werden nicht nur massakriert, sondern ihre Leichname mit Minen versehen, damit selbst die Toten noch Angst und Schrecken verbreiten. Polizisten sind beliebte Zielscheiben der Islamisten, doch von der Administration haben sie außer Demütigungen nichts zu erwarten. "Für Erniedrigungen bin ich zu alt", sagt Kommissar Llob und geht seinen ureigenen Weg - gerade, unkorrumpierbar und ausgestattet mit einer ordentlichen Portion Humor, ohne die man den täglichen Schrecken nicht überleben kann.

Llob schreibt sich seine Wut vom Leib und veröffentlicht einen Kriminalroman, der »Morituri« heißt. Eben den gleichen Titel trägt der erste Teil der Trilogie, der jüngst im Unionsverlag als Taschenbuch erschienen ist. Mit diesem Roman eckt der schreibende Polizist bei den Reichen und Mächtigen Algeriens an und wird schließlich suspendiert. Davon erzählt »Herbst der Chimären«, der letzte Band der Trilogie, der gerade im Haymon-Verlag erschienen ist. Hier muss der Polizist Llob keinen Fall mehr lösen, sondern ist selbst das Opfer mysteriöser Vorkommnisse.

Khadras Trilogie ist alles andere als eine anti-islamistische Hetztirade, die aus opportunistischen Gründen hier stark zu machen wäre. Sie ist das komplexe Spiegelbild eines Landes, das durch die Verwerfungen seiner - mitnichten immer selbst bestimmten - Geschichte an den Abgrund geriet und eine Ohrfeige für alle, die schnell mit Urteilen bei der Hand sind:

"Jedesmal, wenn ich den tieferen Sinn solcher Ironie zu begreifen versuche, gelange ich zu dem Schluß, daß sich die algerische Gesellschaft infolge eines bedauerlichen Durcheinanders in den Blättern ihrer Geschichte jeder klaren Beurteilung entzieht."

Und:

"Denn über allen Trümmern und Opfern tummeln sich unweigerlich irgendwelche Aasgeier, die listig genug sind, sich als Phönix auszugeben. Und die werden nicht eine Sekunde zögern, mit der Asche der Märtyrer ihre privaten Paradiesgärten zu düngen, die Grabsteine der Gefallenen in Monumente für sich selbst zu verwandeln und die Tränen der Witwen auf ihre Mühlen umzuleiten. Und das, das kann ich nicht ertragen."

Khadras Romane sind weise wie eine chinesische Sprichwortsammlung und eine einsame Insel im Meer der geistigen und sprachlichen Nichtigkeiten. Dankenswerterweise haben die Verlage die Ausgaben mit einem Anhang der Literaturwissenschaftlerin Beate Burtscher-Bechter versehen. In ihrem Nachwort bzw. ihrem Interview mit Mohammed Moulessehoul finden Sie eine Fülle Material zu Autor und Werk.

Yasmina Khadra: Morituri. (Morituri, 1997). Aus dem Französischen von Bernd Ziermann und Regina Keil-Sagawe. Zürich: Unionsverlag, 2001 (1. Aufl. - Innsbruck: Haymon, 1999), 156 S., 16.90 DM, 8.90 Euro (D).
Yasmina Khadra: Doppelweiß. (Double Blanc, 1999). Kriminalroman. Aus dem Französischen Regina Keil-Sagawe. Mit einem Nachwort und Interview von Beate Burtscher-Bechter. Deutsche Erstausgabe. Innsbruck: Haymon, 2000, 158 S., 29.80 DM.
Yasmina Khadra: Herbst der Chimären. (L'Automne des chimères, 1998). Kriminalroman. Aus dem Französischen Regina Keil-Sagawe. Mit einem Nachwort von Beate Burtscher-Bechter. Deutsche Erstausgabe. Innsbruck: Haymon, 2001, 158 S., 29.80 DM

 

Um unseren staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen, zum Schluss noch ein Hinweis an die braven Rasterfahnder:

   Ein kleiner Mann in einem Overall eilt auf Romero und Antonie zu. »Herr Kommissar, isch hab se gefunne. Isch woll die zwa Wanne do uffladde, und grad dahinter hat se im Dreck geläsche...«
   Antonie nimmt ihren Notizblock aus der Tasche.
   »Ihren Namen bitte.«
   »Majad Boukhalaf Abdusselam.«
   »Würden Sie das bitte langsam buchstabieren?«
(Susanne Mischke: Schwarz ist die Nacht, Piper, 2001)

 

© j.c.schmidt, 2001

 

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