legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 01/2010

 

Die Arena

1300 Seiten über eine Kleinstadt in Maine, namens Chester's Mill. Korrupte Kleinstadtbullen, durchgeknallte Lokalpotentaten, religiöse Fundamentalisten, Drogenköche, Xenophobe, folternde Rednecks, Rassisten, ein arg ekliger Frauenmörder und viele, viele andere Figuren aus dem ganz alltäglichen Wahnsinn der USA bevölkern in grossen Mengen Stephen Kings neuen Roman Die Arena (Heyne). Das ist für seine Verhältnisse nichts Neues, denn die genau und phantasmagorisch-präzise Zergliederung von small town America im Geiste des großen Ray Bradbury war schon immer Stephen Kings Paradedisziplin. Hier kommt veschärfend dazu, dass Chester's Mill plötzlich unter einer undurchdringlichen, vermutlich von Außerirdischen konstruierten Kuppel steckt und mit sich selbst klar kommen muß. Und da feuern die amerikanischen Sünden der letzten Dekade zurück - Guantanamo Bay und Abu Ghraib finden plötzlich in Maine statt. Stephen Kings politisch explizitestes Buch. Großer Wurf.

Als großen Wurf verkaufen zumindest will der Lübbe Verlag uns Level 26. Dark Origins von CSI-Erfinder Anthony E. Zuiker und Duane Swierczynski (bei uns bekannter als Duane Louis). Denn das Werk um einen in einer Art Ganzkörperkondom steckenden serialkillenden Unhold namens Sqweegel soll eine neue Dimension des intermedialen Thrillervergnügens darstellen. Man liest ein wenig, schaut dann im Netz ein paar putzige Spielszenen an (CSI-Niveau und drunter) und liest wieder ein wenig, bis man das Gedöns satt hat und die Schwarte schnell zu Ende bringt. Die Filmchen braucht man sowieso nicht, um der grenzdebilen Handlung um das allerböseste Wesen, dass es je gab - eben auf der Bösheitsskala als einziger Mensch auf Level 26 (Hitler & Co.?)-, folgen zu können. Das Sqweegeli ist nämlich so furchtbar, furchtbar furchtbar böse, dass man's nimmer glauben mag - vor allem Freunde gynäkolischer Details kommen auf ihre voyeuristisch-sabbernden Kosten. Und noch nicht einmal für ideologie-kritischen Zorn, nicht für mahnende Worte über den Untergang des Abendlandes, den Kulturzerfall oder den Zynismus des Profitstrebens reicht das Heftle. Es ist so unfreiwillig komisch und bescheuert wie das Sqweegeli, das so schlimm schlimm ist, dass es sogar die eigene Köpfung wollüstig erlebt. Ja, so isses...

Camorrista

Raus aus der Geisterbahn ins wirkliche Leben: Camorrista von Giampaolo Simi (C.Bertelsmann) erzählt eine Geschichte von einer anfangs eher unbedarften Polizistin, die als Leibwache eines als Kronzeugen aussagebereiten jugendlichen Camorrista-Killers lernen muss, dass in Berlusconis Italien das Organisierte Verbrechen, die Justiz und die Polizei und überhaupt "die Gesellschaft" so unterschiedliche Grössen nicht sind. Das ist ja keinesfalls eine brandneue Erkenntnis und seit Roberto Savianos Mafia-Bestsellern (deren Spuren auch in Simis Roman mehr zu finden sind als gut für das Buch ist) feuilleton-notorisch, aber der Entwicklungsroman einer jungen Frau ist solange spannend, bis er sich in die Netze des allzu Konstruierten, Gewollten und viel zu lange schon Angelegten verwickelt. Da bekommt dieser Roman aus einer beklemmenden Realität dann leider etwas sehr Papierartiges, Konstruiertes.

Trashig geht dagegen Angelo Petrella mit dem heutigen Italien um: Nazi Paradise (Pulp Master mit einer weiteren grandiosen Covergrafik des Hamburger Künstlers 4000). Eher eine lange Novelle über einen Hacker, der zwischen Bullen, Neo-Nazis, Hools, Mafiosi und abgestürzten, gewaltgeilen und zugedröhnten Existenzen herumtorkelt. Eine hübsche Milieu-Miniatur mit Blut und Kotze.

Die Rache des Kaisers

Rundum erfreulich hingegen Die Rache des Kaisers von Gisbert Haefs (Page & Turner) - ein historischer Roman, aber eben einer von Haefs. D.h. gleichzeitig Abenteuerroman, Grimmelshausen-Paraphrase (lesen Sie mal den Anfang genau), Kriminalroman, Vendetta-Roman und vieles mehr. Robust und komisch, voller Anspielungen und Zitate. Wir sind bei allen schönen Gräueln des 16. Jahrhunderts dabei - bei der berühmten Plünderung Roms (dem sacco di Roma 1527), bei der Schlacht um Wien gegen die Türken, sogar in Amerika, wo man gerade mit Fleiß die angestammte Bevölkerung ausrottet. Und mitten in den deutschen Bauernkriegen, wo wir Figuren wie Götz von Berlichingen, Florian Geyer und Georg von Frundsberg begegnen. Und uns damit bestens amüsieren.

 

© Thomas Wörtche, 2010

 

« Leichenberg 12/2009       Index       Leichenberg 02/2010 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen