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Leichenberg 09/2007

 

Zwei Tote im Fluss

Die Anglos von den Inseln haben zur Zeit richtig Konjunktur und liefern vorzüglichen Stoff - neben Stuart MacBride und Brian McGilloway jetzt also Iain McDowell. Der ist zwar Schotte, seine Romane um Chief Inspector Jacobson aber spielen in dem fiktiven Crowby, irgendwo in den Midlands. Zwei Tote im Fluss (dtv) ist leider nicht der erste Band der Serie, sondern schon der vierte, aber immerhin: Eine neue Stimme, die über den alltäglichen organisierten und nicht-organisierten Rassismus im UK erzählt. Unaufdringlich, ohne Didaxe, ohne Empörungsgepluster.

Schwer plustert sich die Medienlandschaft hingegen bei Roberto Savianos Reportagenband Gomorrha (Hanser). D.h. man ist sich putzigerweise nicht ganz klar darüber, was dieses Stück Neo-new-journalism eigentlich sei: Ein Sachbuch über die üblen Machenschaften der napolitanischen Camorra oder doch eher ein romanhaftes Stück Text. Genauso zwiespältig kommt das Buch daher: Es erzählt nichts, aber auch gar nichts Neues darüber, wie organiertes Verbrechen tickt. Das aber erzählt es manchmal sehr eindrücklich so, als ob wir es tatsächlich mit einem Roman zu tun hätten. Denn die makrostrukturellen Analysen über den Wirtschaftsfaktor Camorra sind präzise, aber bekannt; die vielen Details und Namen aber langweilen nur, weil sie ausser den Ermittlern niemandem etwas sagen. Bemerkenswert, dass ausgerechnet der Kulturjournalismus sich auf dieses Buch gesetzt hat und allerlei kreuzkomisches, triviales Zeug (die Mafia ist brutal und überall - echt?) verbreitet. Da tut einem Roberto Saviano schon fast wieder leid.

Little Scarlet

Fast mitleidig kann man auch den allmählichen Substanzverlust bei Walter Mosley beobachten. Little Scarlet (Fischer TB), ein weiterer Band aus der Easy-Rawlins-Serie, ist nur noch ein schlaffes, auf die Serial-Killer-Welle schielendes Romänchen. Dabei spielt es während einer sehr neurotischen Zeit der jüngeren Geschichte: Während der Gewaltausbrüche 1965 in Watts - also einem Mini-Bürgerkrieg mit eminenten politischen Folgen. Dazu fällt Mosley allerdings nur sehr, sehr wenig ein. Das tut weh.

Richtig weh tut auch die Lektüre von Volker Kutscher: Der nasse Fisch (Kiepenheuer & Witsch). Im Grunde glaubt man es nicht: Ein teures Hardcover, das eine Art Schulfunksendung zum Thema hat: Das Ende der Weimarer Republik, garniert mit ein wenig Mord. Und sonst gar nichts. Bei jeder Szene scheinen die Quellen durch, man sieht förmlich die Checkliste, auf der der Autor jeden Topos der richtigen, erwachsenen Berlin-Literatur seit Döblin abgehakt hat. Peinlich.

Rumble Tumble

Ach, da atmet man froh durch: Zwei Typen werden um Hilfe gebeten, sie ziehen los, legen jede Menge Leute um und sind am Ende ein bisschen verbeult, aber zufrieden. Klar, die Rede ist von Joe R. Lansdale und seinem Roman Rumble Tumble, den es bei den wunderbaren kleinen Funny Crimes gibt. Und natürlich ist die Story, so wie sie Lansdale erzählt, alles andere als bloß ein Stück Krawumm-Literatur. Ganz im Gegenteil, und so wie immer bei Lansdale.

Ich sag es gerne an dieser Stelle und gerne immer wieder: Notorisch unterschätzt in diesem Land ist Ridley Pearson. Er ist der zeitgenössische Autor von Thrillern und Co., der vermutlich am kreativsten mit der neuen Alltagstechnologie umgehen kann, die wir alle mit uns schleppen: Vom Handy bis zum BlackBerry. Die einsamste Stunde (Bastei)löst in guter Tradition des Action-Romans die Psychologie der Figuren (hier: Eine Lady im geplatzten Zeugenschutzprogramm, die von üblen Gestalten gehetzt wird) auf in Aktionen, Handlungen, Tempo, Gewalt und Situationen, comme il faut. Das ist genau die Art von kluger und spannender Literatur, an der "Literarizitäts"-Debatten und ähnlicher Metakram immer wieder abprallen. Gut so!

Und wo endet das alles? Oft auf dem Friedhof. Darüber hat Boris Akunin (= Grigori Tschchartischwili) sehr schöne Feuilletons geschrieben: Schöner als der Tod. Friedhofsgeschichten (Goldmann). Die ideale Lektüre für heitere Herbsttage.

 

© Thomas Wörtche, 2007

 

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