legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 02/2003

 

Wo ein Krimi ist, sind zur Zeit die Schweden nicht weit. Sie sind sogar überall dort, wo sie nicht hingehören. So prangt zum Beispiel eine schwedische Zapfsäule komplett mit Kronen- und Ören-Zähler auf dem Umschlag von William Hoffmans Treibjagd (Knaur). Folgerichtig spielt der Roman in den beiden Virginias und wird auf der Rückseite als »Südstaatenroman« beworben. Das Buch kann natürlich nichts dafür, was auch schade wäre, denn es ist ein richtig gutes, bescheiden daherkommendes Buch. Es geht nur sehr oberflächlich über Moorhühner, die nicht am Computer zu jagen tödlich enden kann. Dann aber geht es relativ bald über Heuchelei, Doppelmoral, christlichen Fundamentalismus, Kapitalismus und Geschlechterrollen, die sich allesamt fast zwangsläufig zu einem mörderischen Gebräu zusammenfügen. In Virginia, in West Virginia und hoffentlich nicht bald in aller Welt.

Sehr weltläufig geht es in Alexandra von Grotes Roman Die Stille im 6. Stock (Fischer Tb) zu. Da räkeln sich reiche Französinnen auf Landsitzen, die »Les Oliviers« heissen und venezianische Salons haben. Und es wird »sich zurückgezogen« und »die deutsche Kultur« geliebt als ob's aus der Feder von Frau Marlitt geflossen wäre. Der deutsche Grimmi hat sprachlich endgültig zum Lore-Roman aufgeschlossen. Was in diesem Fall besonders auffällt, weil die Geschichte einer Geiselnahme in einem französischen Krankenhaus während des Endspiels der Fußball-WM von 1998 spannend ist und auch recht kompetent recherchiert. Der Schluss ist zwar etwas läppisch, weil der Täter nicht plausibel ist, aber das könnte man noch verzeihen.

Ein bisschen gnädig muss man auch bei Árni Thórarinsson sein. Die verschwundenen Augen (Verlagshaus No. 8) - ein Kriminalroman aus Reykjavík wartet mit ein paar sehr unappetitlichen Miniaturen auf, die überhaupt nichts mit der Handlung zu tun haben, dafür aber einen hohen Würgequotienten. Auch die Story quält am Ende den Zufall und die Machination zu sehr, aber dazwischen liegt ein sehr solider, teilweise witziger und spannender Krimi, der sich von der Nordwelle sympathisch abhebt.

Witzig, spannend und genial hingegen ist Watsons Brainstorm von Richard Dooling (dtv), ein Buch, dessen Erstausgabe mir schon 1999 durchgerutscht ist und jetzt beinahe schon wieder. »Watsons Brainstorm« ist ein wortmächtiger (kongenial von Giovanni und Ditte Bandini übersetzter) und komischer Generalangriff auf das US-amerikanische Rechtswesen, auf HighTech und Computerwahn. Das Buch prügelt nach allen Seiten, treibt Scherz und Wahnsinn mit dem Political Correctness-Getue, ergötzt sich an den Freuden der »Neuromasturbation« und schildert einlässlich die Verstrickungen eines Anwalts, der die Pflichtverteidigung eines eklen Rassisten übernehmen muss. Eine der Hauptfiguren, der exzentrische, dauerpöbelnde Richter Stang könnte einen gar über die Gründung eines Stang-Fan-Clubs nachdenken lassen. »Ein Grisham für denkende Menschen«, schrieb die NYT völlig zu recht. Ein Klassiker.

Ein nützliches Handbuch für Einsteiger in das Werk eines Groß-Klassikers ist das schmale Bändchen: John Le Carré. Der Spion, der zum Schriftsteller wurde von Jost Hindersmann mit einer üppigen Bibliographie von Thomas Przybilka (Nordpark-KrimiKritik). 50 Seiten Text und 50 Seiten Bibliographie halten sich die Waage, und Hindermanns Text referiert nüchtern, ohne uns mit weitläufigen Reflexionen zu quälen. Abteilung: Knapp und praktisch.

 

© Thomas Wörtche, 2003

 

« Leichenberg 01/2003 zurück zum Index Leichenberg 03/2003 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen