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Leichenberg 07/2002

 

Es gibt zuviele Bücher über serial-killer. Susanne Staun auf jeden Fall hat zu viele davon gelesen. Romane und true-crime-Schwarten und ein bisschen Wissenschaft auch. Deswegen hat sie all das in einen eigenen serial-killer-Roman gepackt: Die Signatur des Bösen (dtv). Das Buch schwankt heftig zwischen VHS-Vorlesung, den schönsten Anekdoten über die beliebtesten serial-killer (Dahmer, Geins, Fish etc.), die besten Gräuel aus Krafft-Ebbing und ansonsten viel Bibel, Metaphysik, Metaphysik und nochmal Metaphysik. »Das Böse« halt. Heftig versucht Staun uns zu schocken mit Koprophagem und Kannibalischem, aber ihre streckenweise flockige Prosa ist so funny, so kicherig (wenn sie nicht gaaanz hoch ist, dann aber handelt es sich um Metaphysik), so westerwellig, dass ganz gewiss ein Chok nicht zu befürchten ist. Dabei ist die Hauptfigur, die »Profilerin« Fanny Fiske gar keine uninteressante Figur, die in der nahen Zukunft (Hillary ist US-Präsidentin) in einem politisch und geographisch leicht geknautschten Europa völlig ohne Realismusanmutung ihrem Job nachgeht. Aber für eine Parodie oder gar eine schwarzhumorige Satire auf alle serial-killer-Bücher reicht es nicht. Ein mehr als seltsam frivoles Buch mit haut goût.

Ein ganz anderes Kaliber ist da Jenny Siler: Mit zwei schmalen Büchern, Schnelle Beute und Auf dünnem Eis (beide Goldmann) hat sie sich in die immer dünner werdende Riege ernstzunehmender neuer Stimmen aus den USA geschrieben. Rein qualitativ versteht sich, denn beide Romane über Frauen, die irgendwie durchkommen müssen im ganz normalen, völlig unschicken US-Alltag - Kurierin für alles, was nicht legal ist, die eine; Repo-Frau die andere - verweigern jede Anbiederung an belletristische Formeln und Kalküle. Dafür hat sie die seltene Gabe, aus vermeintlich unattraktiven Schauplätzen (Montana und das hinterwäldlerische Florida) und nicht sehr netten Figuren Poesie und magische Momente zu zaubern, die der Design-Literatur unserer Tage abgehen. Bequem ist das nicht, aber sehr gut.

Ähnlich kratzig quer zu allem leicht Konsumablen liegt der wunderbare neue Band des Schweizer Illustrators, Graphikers und Malers Hannes Binder. Er heisst Eine Melodie, die der Kommissär schon einmal gehört hatte... (Limmat) und erzählt von einem kleinen Ristorante in Tegna, in dem sich Friedrich Glauser. Hannah Arendt, Max Frisch, der Wachtmeister Studer und Patricia Highsmith immer getroffen haben. Echt. In sechsunddreißig Bildern. Genial.

Dito uneinsortierbar Weißwein und Aspirin. Hirnrissige Geschichten von Kurt Lanthaler (Diogenes). Die Titelgeschichte über einen alten Professor in »Stambul« ist schon ein kleines Prosa-Juwel, Kriminal- hin oder her. Kurt Lanthaler ist ein schönes Beispiel für die Blödsinnigkeit von Kategorien. Gerade weil er auch einfach gute Kriminalstories schreiben kann, wie das »Arbeitsbuch zum Fall des weissen Uno« beweist.

Ein paar schöne, sperrige Geschichten finden wir auch in der von Lisa Kuppler herausgegebenen Anthologie Queer Crime (Querverlag). Stella Duffys »Der Versicherungsmann«, z.B. oder Martin Arz' »Homolulu Wohnung-Blues« oder, zweifelsohne das File, William Malteses »Doppelmörder«. Und natürlich Carlo de Luxe nicht zu vergessen, der in »Yin-Yan Gang-Bang« mit viel chaotischem Gekreische richtig queer zur Sache geht. Empfehlenswert!

Der Klassiker des Monats ist gleichzeitig ein Klassiker der Literatur des 20. Jahrhunderts: Die Maske des Dimitrios von Eric Ambler (Diogenes). Die Neuauflage eines Romanes comme il faut: Elegante Prosa, rasende Spannung, kluge Ironie und politischer Scharfsinn. The real stuff.

 

© Thomas Wörtche, 2002

 

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