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Jim Thompson

 

Jim Thompson James Myers Thompson wird am 27. September 1906 in Anadarko, Oklahoma, geboren. Sein Vater ist politisch ambitionierter Sheriff des Städtchens, muss allerdings im folgenden Jahr von seinem Amt zurücktreten, weil sich der notorische Spieler an einer Fonds-Kasse vergriffen hat. In einer Nacht- und Nebelaktion muss die Familie die Stadt verlassen; der Vater flieht auf einem Pferd über die mexikanische Grenze, um einer Haftstrafe zu entgehen. Die Episode markiert den Beginn einer unsteten Zeit: Die Familie lebt mal hier, mal da, und die finanzielle Situation gleicht einer Achterbahnfahrt. Als James Thompson Sr. mit Ölgeschäften ein kleines Vermögen verdient, lässt sich die Familie schließlich in Texas nieder.

Jim Thompson beginnt früh zu schreiben: Kleine, humoristische Arbeiten - Witze und Sketche - werden in Zeitungen veröffentlicht, als er gerade vierzehn ist. Als Thompson auf die Highschool kommt, nimmt er einen Job als Hotelpage in Fort Worth an. Tagsüber studiert er, nachts arbeitet er - und verdient mit Nebengeschäften schnell das mehrfache seines regulären Gehalts: In Zeiten der Prohibition versorgt Thompson seine Gäste mit Whiskey und anderen illegalen Stoffen, die er im mexikanischen Viertel organisiert. Sein Geld investiert er in feine Anzüge und Importschuhe, in Whiskey und in Zigaretten. Thompson lebt exzessiv: Schon mit 19 Jahren erleidet er einen Nervenzusammenbruch, den zu überwinden ihn fast ein ganzes Jahr kostet.

Nothing More than Murder Nach seiner Genesung verdingt sich Thompson in unterschiedlichen Jobs. Längere Zeit schuftet er auf den texanischen Ölfeldern und gründet mit dem Vater eine - leidlich erfolgreiche - Firma. 1929 zieht es ihn nach Dallas. Eine seiner ersten "ernsten Arbeiten" wird im Texas Monthly veröffentlicht und ein Redakteur des Magazins besorgt für den talentierten jungen Autor einen Studienplatz an der University of Nebraska. Thompson heiratet und verdient gutes Geld, indem er für populäre Magazine wie True Detective, Intimate Detective u.a. tatsächlich begangene Verbrechen als Storys nacherzählt.

1940 zieht Thompson nach Kalifornien. Er preist seine Dienste in Hollywood an, doch er bekommt nur einen Job in einer Flugzeugfabrik. Trotzdem entwickeln sich das Leben in Kalifornien günstig für ihn: 1942 erscheint sein erster Roman »Now and on Earth«, ein autobiographisches Buch. Das Werk hat noch nichts mit Kriminalliteratur gemein, sondern erinnert etwa an John Steinbeck. Der Roman wird - wie auch sein zweiter »Heed the Thunder«, 1946 - von der Kritik positiv aufgenommen, findet aber nur wenige Käufer. 1949 erscheint mit »Nothing More than Murder« Thompsons erster Kriminalroman. Das Buch verkauft sich gut - ein drigend benötigter Erfolg, denn im Zuge seiner immer wiederkehrenden Alkoholkrisen steht die Familie vor dem finanziellen Aus. Als er für ein folgendes Manuskript keinen Verleger findet, stellt Thompsons Agent den Kontakt zu Lions Books in New York her, die eine Reihe mit "Paperback Originals" produzieren. In nur 18 Monaten zwischen 1952 und 1954 haut Thompson zwölf Romane in die Tasten seiner Schreibmaschine, die bis 1957 bei Lions erscheinen.

The Killer Inside Me Seine Romane erweisen sich nicht als Verkaufsschlager, doch gewinnt Thompson eine kleine, treue Fangemeinde. Besonders sein erster Roman, den Lions publiziert, »The Killer inside Me« erlangt Kultstatus. Thompson erzählt darin die Geschichte eines gerissenen, brutal-durchgeknallten Kleinstadtsheriffs:

"Lou Ford ist der, wie es scheint, harmlose, höchstens zu viel dummes Zeug redende Deputy Sheriff in der all American Kleinstadt mit dem ironischen Namen Central City. Der Schein aber trügt und ein erstes Signal bekommt der Leser bereits auf den ersten Seiten, wenn Ford einem herumlungernden Bettler brutal eine Brandwunde mit seiner Zigarette zufügt. In Rückblenden und sachlicher Berichterstattung führt die Geschichte auf Umwegen zu der Tat, die einem den Atem verschlägt: Lou Ford tötet, brutal und skrupellos, den Sohn des Mannes, den er hasst, und, weil es sich nicht vermeiden lässt, auch die Frau, mit der er, Lou, seit ein paar Monaten ein Verhältnis hat."
(Ekkehard Knörer: Jim Thompson - Der Mörder in mir. Unter http://www.crime-corner.de/dermoerderinmir.html)

Mitte der 50er zieht es Thompson nach Hollywood. Mit Stanley Kubrick arbeitet er an zwei Filmen (»The Killing«, 1956 und »Paths of Glory«, 1957). Kubrick und Thompson allerdings überwerfen sich schon bei der Arbeit am ersten Werk - es gibt heftigen Streit wegen der Credits und dem Salär. Doch Thompson bleibt in Hollywood: Es folgen diverse Drehbücher für populäre aber zweitklassige Fernsehserien, hauptsächlich Western. Die meisten seiner Scripts werden nicht einmal produziert.

After Dark, My Sweet Anfang der 60er Jahre erleidet Thompson einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr richtig erholt. Auch die Qualität seiner Manuskripte leidet unter seiner angeschlagenen Gesundheit. Nur noch zwei Romane - »The Grifters« und »Pop. 1280« erreichen das Niveau seiner früheren Arbeiten. Avon Books bestellt einen Roman bei dem Autor, doch lehnt die Veröffentlichung des des missglückten Manuskripts ab (»King Blood«, der 1973 in einem englischen Verlag erscheint). Thompson schlägt sich mit TV-Tie-ins durch - mit Romanfassungen zu Fernsehserien. 1972 dreht Sam Peckinpah »The Getaway« nach dem gleichnamigen Roman von Jim Thompson. Der Film mit Steve McQueen in der Hauptrolle ist erfolgreich, doch bleibt ohne Auswirkungen auf die Verkaufszahlen seiner Bücher. Ein eigener kleiner Filmauftritt allerdings erweist sich als Glücksfall: Wegen seiner Nebenrolle in der Dick Richards-Verfilmung des Chandler-Klassikers »Farewell, My Lovely« (1975, mit Robert Mitchum als Phil Marlowe), wird Thompson Mitglied in der Screen Actors' Guild, der Schauspielergewerkschaft, die für ihre Mitglieder die medizinische Versorgung bezahlt.

Thompsons Magen ist von mehreren Geschwüren zerfressen, sein Augenlicht beinahe erloschen. Nach mehreren weiteren Schlaganfällen stirbt ein verbitterter Jim Thompson im April 1977 in Hollywood - der kranke Mann verweigerte schlicht die Nahrungsaufnahme und hungerte zu Tode. Zur Zeit seines Todes ist in den USA kein einziger seiner vielen Romane lieferbar. Auf seiner Beerdigung erscheinen nur eine Handvoll Trauergäste - "das perfekte Ende einer weiteren Jim Thompson Story", wie ein Teilnehmer kommentiert haben soll.

The Alcoholics Zeit seines Lebens wurden Thompsons Romane eher als Pulp-Heftchen abgetan, die sich wenig von den anderen Massenprodukten unterschieden, die man an den Kiosken für einen Quarter, also 25 Cents, erwerben konnte. Wie bei einigen seiner Landsleuten - man denke etwa an Chester Himes und viele andere Künstler besonders auch aus Film und Musik - wurde Thompson zuerst in Frankreich richtig entdeckt: Zwar waren mit »The Getaway« und »The Killer inside Me« bereits zwei seiner Romane in den USA verfilmt worden, doch erst die französischen Adaptionen der Romane »Hell of a Woman« (als »Série Noire«, 1979) »Pop. 1280« (unter dem Titel »Coup de Torchon«, 1981) machten den Weg frei für eine Neubewertung der Jim Thompson-Romane. Wie wohl kein anderer seiner Zeitgenossen verstand er es, sich in die Seele von Verlierern und Psychopathen hineinzudenken und -zuschreiben:

"Wie die Filme Clint Eastwoods sind die Romane Jim Thompsons solche für Rednecks, Lastwagenfahrer, Versager, Psychopathen und Professoren. Er ist einer der größten amerikanischen Autoren und gewiß der, der uns am meisten erschreckt. Thompson steht mit dem Teufel auf du und du." (The New Republic)

Savage Night Zu harter Stoff das biedere Empfinden in der Zeit des Kalten Krieges? In England erschienen nur einige seiner Romane - mit gut zwei Jahrzehnten Verspätung. Heute sind sie nur in lieblosen Sammelbänden lieferbar. Dem deutschen Publikum wurde Thompson - von ein paar wenigen Texten abgesehen - erst mit den Ullstein-Ausgaben in den Achtziger Jahren bekannt. Ein verkanntes Genie, mit nur wenigen, aber glühenden Anhängern. Der Thriller-Autor Barry Gifford war es, der Thompson schließlich auch dem amerikanischen Publikum wieder näher brachte - mit einer liebevoll ausgestatteten Neuedition in Giffords kleinem, aber exquisiten Verlag Black Lizard.

So hat Jim Thompson dann doch noch recht behalten: Den Tod vor Augen, bat er seine Frau, sie möge sein letztes, fertiges Manuskript zurückhalten. Zehn Jahre nach seinem Tode, so Thompsons Prophezeiung, werde er berühmt sein. Die Originalausgaben seiner Romane jedenfalls erfreuen sich höchster Beliebtheit: Für ein guterhaltenes Exemplar, das seinerzeit für 25 Cents verkauft wurde, müssten Sie heute bis zu $450 berappen.

 

© j.c.schmidt, 2002

 

Quellen und weitere Infos:

Charles Waring: Cigarettes and Alcohol. The Extraordinary Life of Jim Thompson.
Ein grandioser Artikel, erschienen in der englischen Crime Time. Online nachzulesen unter
http://www.crimetime.co.uk/features/jimthompson.html

Ebenfalls umfassende Informationen finden Sie im »Biography Project« unter
http://www.popsubculture.com/pop/bio_project/jim_thompson.html.
Es findet sich leider kein Autor zum Artikel, vor dem man sich hier artigst verbeugen könnte. Vorsicht bei den Links, die führen fast alle ins Nirvana.

Immer eine gute Quelle ist »Books and Writers«, eine finnische Seite in englischer Sprache. Die Thompson-Seite finden Sie unter
http://www.kirjasto.sci.fi/jthompso.htm,
leider auch ohne Autoren-Angabe.

The Killer Beside Me: The Jim Thompson Resource Page. Eine feine Seite von Leslie J. Furlong unter http://www.geocities.com/SoHo/Lofts/6437/intro.htm, die leider nicht mehr online ist.

 

Bibliographie:
Now And On Earth
[New York: Modern Age, 1942]
1942 Jetzt und auf Erden
[München: Heyne Hardcore, 2011]
Heed the Thunder
[New York: Greenberg, 1946]
1946 Fürchte den Donner
[München: Heyne Hardcore, 2016]
Nothing More Than Murder
[New York: Harper & Brothers, 1949]
1949 Es war bloß Mord
[Zürich: Diogenes, 1995]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1989 unter dem Titel »Nichts als Mord«]
The Killer Inside Me
[New York: Lion, 1952]
[London: Sphere, 1973]
1952 Der Mörder in mir
[Zürich: Diogenes, 1992]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1982]
[München: Heyne, 1970 unter dem Titel »Liebling, warum bist du so kalt?«]
Cropper's Cabin
[New York: Lion, 1952]
1952 Liebe ist kein Alibi
[München: Goldmann, 1988]
[München: Heyne, 1972]
Recoil
[New York: Lion, 1953]
1953 Revanche
[Zürich: Diogenes, 1994]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1988 unter dem Titel »Rückschlag«]
The Alcoholics
[New York: Lion, 1953]
1953
Bad Boy
[New York: Lion, 1953]
1953 Bad Boy. Eine amerikanische Jugend
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1987]
Savage Night
[New York: Lion, 1953]
1953 In die finstere Nacht
[München: Heyne Hardcore, 2012]
The Criminal
[New York: Lion, 1953]
1953 Der Verbrecher
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1990]
The Golden Gizmo
[New York: Lion, 1954]
1954
Roughneck
[New York: Lion, 1954]
1954
A Swell-Looking Babe
[New York: Lion, 1954]
1954 Eine klasse Frau
[Zürich: Diogenes, 1994]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1986 unter dem Titel
Ein süßes Kind]
A Hell Of A Woman
[New York: Lion, 1954]
1954 Ein Satansweib
[Zürich: Diogenes, 1996]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1988 unter dem Titel »Höllenweib«]
The Nothing Man
[New York: Dell, 1954]
1954 Kein ganzer Mann
[Zürich: Diogenes, 1996]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1989 unter dem Titel
Der Garnix-Mann]
After Dark, My Sweet
[New York: Lion, 1955]
1955 After Dark, My Sweet
[Zürich: Diogenes, 1993]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1984 unter dem Titel
Nach Einbruch der Dunkelheit]
The Kill-Off
[New York: Lion, 1957]
1957 Kill-off
[Zürich: Diogenes, 1994]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1988 unter dem Titel »Das Abtöten«]
Wild Town
[New York: Signet, 1957]
1957 Gefährliche Stadt
[Zürich: Diogenes, 1992]
[ Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1984]
The Getaway
[New York: Signet, 1959]
[London: W. H. Allen, 1972]
1959 Getaway
[Zürich: Diogenes, 1992]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1983]
[München: Heyne, 1975 unter dem Titel »Getaway, deine Chance ist der Tod«]
[München u.a.: Bertelsmann, 1973 unter dem Titel »Getaway, deine Chance ist der Tod«]
The Transgressors
[New York: Signet, 1961]
1961 Die Verdammten
[München: Heyne Hardcore, 2015]
The Grifters
[New York: Regency, 1963]
1963 Muttersöhnchen
[Zürich: Diogenes, 1995]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1991 unter dem Titel »Grifters«]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1987 unter dem Titel »Die Abzocker«]
Pop. 1280
[Greenwich, Conn.: Fawcett, 1964]
1964 Zwölfhundertachtzig schwarze Seelen
[Zürich: Diogenes, 1992]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1983 unter dem Titel »1280 schwarze Seelen«]
[München: König Verlag, 1973 unter dem Titel »1280 schwarze Seelen«]
Texas By The Tail
[Greenwich, Conn.: Fawcett, 1965]
1965 Texas an der Kehle
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1988]
[München: König, 1973 unter dem Titel »Kalte Füße auf heißem Boden«]
South of Heaven
[Greenwich, Conn.: Fawcett, 1967]
1967 Südlich vom Himmel
[München: Heyne Hardcore, 2015]
Ironside
[New York: Popular Library, 1967]
1967 Der Chef - Ironside jagt den Killer
[München, Wien: F. Schneider, 1970]
The Undefeated
[New York: Popular Library, 1969]
1969
Nothing But a Man
[New York: Popular Library, 1970]
1970
Child of Rage
[New York: Lancer, 1972]
1972 Blind vor Wut
[München: Heyne, 2012]
King Blood (1)
[London: Sphere, 1973]
1973 Der King-Clan
[Zürich: Diogenes, 1996]
[Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1991 unter dem Titel »Kings Blut«]
Hardcore (2)
[New York: D.I. Fine, 1986]
1986
More Hardcore (3)
[New York: D.I. Fine, 1987]
1987
Fireworks. The Lost Writings of Jim Thompson(4)
[New York: D.I. Fine, 1988]
1988
The Rip-Off(5)
[New York: Mysterious Press, 1989]
1989

 

(1) In dem entsprechenden Datensatz des britischen Verbundkatalogs wird ergänzt "Originally published in the United States, 1954" - die Information ist allerding Unsinn.

(2) Sammelband, enthält »The Kill-Off«, »The Nothing Man« und »Bad Boy«.

(3) Sammelband, enthält die Erstausgabe von »The Rip-Off«, »The Golden Gizmo« und »Roughneck«.

(4) Herausgegeben und mit einer Einleitung von Robert Polito und Michael McCauley.

(5) Erste selbständige Ausgabe des Romans.

 

Über Jim Thompson:
Max Allan Collins und Ed Gorman:
Jim Thompson: The Killer Inside Him (6)
[Cedar Rapids: Fedora Press, 1983]
1983
Michael J. McCauley:
Jim Thompson. Sleep with the Devil
[New York: Mysterious Press, 1991]
1991
James Sallis:
Difficult Lives. Jim Thompson - David Goodis - Chester Himes
[Brooklyn, N.Y.: Gryphon Books, 1993]
1993
Robert Polito:
Savage Art. A Biography of Jim Thompson
[New York: Alfred A. Knopf, 1995]
1995

 

(6) Enthält »This World, Then the Fireworks«, eine Story von Jim Thompson, die mit dierser Ausgabe zum ersten Male veröffentlicht wurde.

 

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